3 Tage in Quiberon

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Deutschland macht es seinen Stars oft nicht leicht, was besonders Romy Schneider erfahren musste, die bald nach Frankreich floh und dort zu dem Weltstar wurde, als der sie auch heute, gut 35 Jahre nach ihrem Tod, noch verehrt wird. Glücklich wurde sie allerdings nie, eine Hassliebe zur Presse und zur Öffentlichkeit prägte ihr Wesen, wie Emily Atef in ihrem ästhetischen, melancholischen Film „3 Tage in Quiberon“ zeigt.

Webseite: www.3-tage-in-quiberon.de

Deutschland 2018
Regie & Buch: Emily Atef
Darsteller: Marie Bäumer, Robert Gwisdek, Birgit Minichmair, Charly Hübner, Denis Lavant
Länge: 100 Minuten
Verleih: Prokino
Kinostart: 12. April 2018

FILMKRITIK:

Im Frühjahr 1981 befindet sich Romy Schneider (Marie Bäumer) in Quiberon, einem kleinen französischen Fischerort in der Bretagne, wo sie in einem Sanatorium entgiften soll: Kein Alkohol, kein Tabak, kein Salz, kein Zucker, eigentlich gar nichts soll Schneider zu sich nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen. Das ist auch bitter nötig, denn wie meist im Leben der Schauspielerin, ist sie von privaten Sorgen geplagt. Diese drehen sich vor allem um ihren geliebten Sohn David, der langsam erwachsen wird und es aufregender findet, mit der Familie seines verstorbenen Vaters durch die USA zu fahren, als seine Mutter auf Filmsets zu begleiten.

Dass Schneider trinkt und raucht und ganz allgemein ein unstetes Leben führt, trägt nicht dazu bei, dass ihr Außenstehende zutrauen, eine gute Mutter zu sein. Ihre alte Freundin Hilde (Birgit Minichmair) sieht das anders, sie kennt Romy schon seit der Kindheit und ist nun ein paar Tage zu Besuch, um ihr beizustehen. Besonders skeptisch betrachtet sie Romys Plan, dem Stern-Journalisten Michael Jürgs (Robert Gwisdek) ein Interview zu geben. Weniger Jürgs zu liebe tut Schneider dies, als aus Vertrauen in den Fotografen Robert Lebeck (Charly Hübner), der sie schon oft fotografiert hat.

Drei Tage verbringt das Quartett zusammen, drei Tage, in denen viel geredet und fotografiert, geraucht und getrunken wird, in denen sich Schneider, teils freiwillig, teils durch die provokanten Fragen Jürgs' aus der Reserve gelockt, in einem Maße offenbart wie sie das noch nie getan hatte. Und nie wieder tun würde, denn kaum ein Jahr nach den Tagen in Quiberon starb Schneider mit nur 43 Jahren, vermutlich an einer Überdosis Schmerztabletten.

Das im April 1981 veröffentlichte Interview und die dazugehörigen Fotos, die Lebeck von Schneider machte, wurden durch die Umstände zu einer Art Vermächtnis, zu einem letzten, intimen Blick in ein abwechslungsreiches, vielfältiges, aber auch tragisches Leben, dass seit frühen Tagen stets im Blick der Öffentlichkeit stattfand. Als Opfer der Medien darf man Schneider aber nicht sehen, zumindest nicht ausschließlich.

In ihrem auf Tatsachen beruhenden, aber doch freien biographischen Film geht es Emily Atef genau um diese Widersprüche, die Ambivalenzen in Schneiders Wesen, ihre fast manisch wirkende Art, ihr Wechsel zwischen Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt. Am Abend des ersten Tages sucht das Quartett etwa noch eine offene Bar, findet ein Restaurant, in dem Schneider schnell erkannt wird und auch dank des in Strömen fließenden Champagners schnell zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wird. Man singt und tanzt, Schneider ist enthusiastisch und euphorisch, flirtet mit einem Herumtreiber (Denis Lavant) – und kann am nächsten Morgen kaum fassen, wie sie sich verhalten, wie sehr sie sich geöffnet hat.

Wie Bäumer, die Schneider in Mimik und Gestik auf verblüffende Weise ähnelt, das spielt, die unglaubliche Offenheit von Schneidet andeutet, die ihren Leinwandfiguren so eine enorme Emotionalität verlieh, wie sie mal stark und selbstbewusst mal schwach und verletzlich ist, allein das ist toll.

Doch auch stilistisch weiß Atefs Film zu überzeugen, in weichem schwarz-weiß gefilmt, den Bildern Lebecks nachgeahmt, der in Quiberon eine der bekanntesten Foto-Serien über die oft fotografierte Schneider einfing. Auch vom Wissen um das, was folgen sollte, lebt dieser Film, vom Wissen um den baldigen Tod Schneiders, die viel zu jung starb, aber in zahlreichen wunderbaren Filmen weiterlebt, und nun auch durch diese berührende, melancholische Hommage.

Michael Meyns