4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage

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Das rumänische Drama von Cristian Mungiu gewann 2007 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes. Zwei junge Frauen wollen darin während der Ceausescu-Diktatur in den 1980er Jahren eine illegale Abtreibung von einem zwielichtigen Experten durchführen lassen. Ein packender und bestürzender Film, der die düstere und verzweifelte Stimmung im einst kommunistischen Rumänien zeigt.

Webseite: www.4months3weeksand2days.com

OT: 4 luni, 3 saptamini si 2 zile
Rumänien 2007
Regie und Buch: Cristian Mungiu
Darsteller: Anamaria Marinca, Laura Vasiliu, Vlad Ivanov, Alexandru Potocean
113 Minuten
Verleih: Concorde
Kinostart: 22.11.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ähnlich wie beim letztjährigen Cannes-Gewinner „L’enfant” der Gebrüder Dardenne ist auch hier das Leben eines Babys der Ausgangspunkt der Handlung. Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage ist es her, dass sich Gâbita (Laura Vasiliu) einem Mann hingegeben hat ohne zu verhüten. Gemeinsam mit ihrer Freundin Otilia (Anamaria Marinca) teilt sie sich ein viel zu kleines Zimmer in einem trostlosen und maroden Studentenwohnheim, wo Kommilitonen mit Schwarzmarktgeschäften versuchen, über die Runden zu kommen. Im kommunistischen Rumänien unter Nicolae Ceausescu sind Zigaretten und kostbare Seife Mangelware, vor den Lebensmittelgeschäften stehen die Leute Schlange, doch was die beiden jungen Frauen vor viel größere Probleme stellt, ist das vom Regime verordnete Abtreibungsverbot: Wer nach dem vierten Monat die Schwangerschaft abbricht, gilt vor dem Gesetz als Mörderin. Dennoch gehen Gâbita und Otilia das Wagnis ein und treffen sich in einem Hotelzimmer mit dem zwielichtigen Mr. Bebe (Vlad Ivanov), der die Abtreibung durchführen soll.

Christian Mungius Film ist weder eine Analyse des kommunistischen Rumäniens, noch eine explizite Kritik an der Ceausescu-Diktatur. Stattdessen konzentriert sich sein Drama auf die Tour de Force der jungen Otilia, die in einer Nacht zahllose Prüfungen durchstehen muss, um ihrer Freundin Gâbita zu helfen. Die kleine Stadt, durch die sie hetzt, ist ein unwirscher und grauer Ort voller Plattenbauten, wo selbst ein harmloses Hundebellen in der Dunkelheit zum Alptraum wird.

Die persönliche Hölle, durch die Otilia und Gâbita gehen müssen, inszeniert Christian Mungiu in größtmöglicher Intimität, mit der Handkamera ist er so nah an seinen Figuren, dass man die Beklemmung und die Angst selber zu spüren bekommt. Von der Schulter gefilmt und in langen Plansequenzen gedreht, gelingt es Mingiu tatsächlich, ohne falsches Pathos, platte moralische Schuldzuweisungen oder hysterische Überspitzungen auszukommen. Stattdessen macht er anhand von Alltagsritualen und intimen Unterhaltungen sichtbar, wie schwer diesen jungen Frauen nicht nur ihre Selbstbehauptung, sondern auch ihre Entscheidung gegen das ungeborene Leben in einer trotz kommunistischer Fassade streng patriarchalischen Gesellschaft gefallen sein muss.

Doch noch mehr als die tristen Umstände, ist es die Unfähigkeit miteinander zu kommunizieren, sich zu wehren, sich zu artikulieren, die den beiden jungen Frauen zusetzt. Die vollständige Isolation und das Ablehnen von Hilfe aus der eigenen Familie und dem anderen Geschlecht – Otilia verweigert ihrem Freund Adi (Dl. Radu) die angebotene Unterstützung – zeigt den großen emotionalen Konflikt und das Misstrauen in einer Gesellschaft, in der Geheimnisse an der Tagesordnung stehen und staatlicher Terror und Repression bis in den familiären Bereich gedrungen sind.

Ein Film, der einen verstört und aufgewühlt entlässt, dennoch von großer emotionaler und erzählerischer Kraft zeugt.

David Siems 

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Ab 1966 war Schwangerschaftsabbruch in Rumänien verboten und unter Strafe gestellt. Dies brachte unzählige Frauen zwangsläufig in eine fast ausweglose Situation. Tausende von Frauen und Mädchen sollen an unsachgemäßer Abtreibung gestorben sein. Die Dunkelziffer ist hoch, die genaue Zahl wird nie in Erfahrung zu bringen sein.

Otilia und Gabita besuchen in einer Kleinstadt die Universität. Sie hausen in einem billigen Studentinnenwohnheim. Gabita ist ungewollt schwanger, bereits im vierten Monat. Es muss etwas unternommen werden, im geheimen natürlich.

Da die Zimmer im Wohnheim übervoll sind, wird die schwangere Studentin die Abtreibung in einem Hotel vornehmen lassen. Schon die mehr oder minder anonyme Beschaffung des Zimmers unter falschem Namen ist ein Problem, denn die Hotels sind überbelegt. Als die Bleibe endlich gefunden ist, taucht mit viel Geheimniskrämerei ein Kerl auf, der eher an seinem Gewinn als an der Hilfe für Gabita interessiert ist.

Die Mädchen haben wenig Geld, zu wenig. Erst als Otilia zusätzlich bereit ist, mit dem Mann zu schlafen, gibt er nach. Was ihr wiederum Schwierigkeiten mit ihrem Freund einträgt. Wie werden die beiden Studentinnen dieses schlimme Kapitel in ihrem Leben überwinden?

Ein nüchterner, dunkel gehaltener, deprimierender Film, schmucklos und angstvoll. Aber auch ein wahrhaftiger Film, einer der eine historische Situation präzise wiedergibt, der am Einzelbeispiel das Los vieler Frauen schildert, der bei diesem Thema in seiner Kühle auch formal überzeugt. Nur Unverzichtbares sowohl in der Handlung als auch im Bild wird da unternommen und präsentiert, aber gerade das spiegelt in einer solchen Lage das tatsächliche Leben.

Laura Vasiliu spielt die verzweifelte Gabita, Anamaria Marinca die selbstlose Otilia, Vlad Ivanov den Helfer, der in Wirklichkeit keiner ist. Sie bewältigen ihre Rollen professionell und mit Geschick. Der Film erhielt dieses Jahr in Cannes die Goldene Palme.

Thomas Engel