Der ausnahmsweise seht treffende deutsche Titel lässt es ahnen: „5 Zimmer Küche Sarg“ imaginiert im Stil einer Dokumentation wie es aussieht, wenn Vampire sich eine Wohngemeinschaft teilen. Diese ebenso einfache wie geniale Idee hatten die Neuseeländer Jemaine Clement und Taika Waititi und machen daraus einen hochkomischen Film über die alltäglichen Nöte von Blutsaugern.
Webseite: www.weltkino.de
OT: What we do in the Shadows
Neuseeland 2013
Regie, Buch: Jemaine Clement, Taika Waititi
Darsteller: Taika Waititi, Jonathan Brugh, Jemaine Clement, Cori Gonzalez-Macur, Stuart Rutherford, Ben Fransham
Länge: 86 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 30. Oktober 2014
FILMKRITIK:
Oft heißt es, dass sich das Kino überlebt hat, dass es keine neuen Ideen gibt, schon alles erzählt ist. Abgesehen davon, dass es meist wichtiger ist wie und nicht was erzählt wird, beweisen Regisseure aus aller Welt immer wieder, dass es eben doch noch Ideen gibt, auf die vorher noch nie jemand gekommen ist. Das ist auch in dieser neuseeländischen Produktion der Fall, die auf der diesjährigen Berlinale ihre Premiere feierte.
Im Stil einer Mockumentary (also einer falschen Dokumentation) wird von einem Fernsehteam berichtet, die in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington die Erlaubnis erhalten (und das Versprechen, nicht verspeist zu werden!), einige Wochen in einer Vampir-WG zu drehen. Dort leben die teils Jahrhunderte alten Blutsauger in mehr oder weniger großer Harmonie: Der älteste, Petyr (Ben Fransham), verlässt kaum einmal seinen Sarg im Keller und erinnert mit seiner Glatze und bleichen Haut deutlich an Murnaus legendären Nosferatu. Wesentlich umgänglicher ist der eitle Nick (Cori Gonzalez-Macuer), der erst seit kurzem Vampir ist, sich als cooler Blutsauger a la Edward „Twilight“ Cullem geriert und die Regeln des Vampirdaseins noch nicht verinnerlicht hat.
Weitere Bewohner der Vampir-WG sind Vladislav (Jemaine Clement), der mit seiner mondänen Kleidung und den oft hochtoupierten Haaren an die Dracula-Version aus Coppolas Variante erinnert und sich gern an seine Zeit als Vlad, der Pfähler zurückerinnert. Komplettiert wird die Gruppe durch Viago (Taika Waititi), einen dandyartigen Vampir, der allzu gern Samt trägt und schließlich Deacon (Jonathan Brugh), der einst ein Nazi war und somit quasi zwei Kreuze zu tragen hat.
Als loses dramaturgisches Konstrukt des Films dient ein großer Vampir-Ball, der in ein paar Wochen stattfinden wird und so etwas wie der gesellschaftliche Höhepunkt des Vampir-Jahres ist. Doch in erster Linie ist „5 Zimmer Küche Sarg“ eine Aneinanderreihung von Szenen und fast immer komischen Momenten, in denen die Vampire mal durch die Stadt ziehen und versuchen, trotz ihrer etwas altmodischen Kleidung in Clubs zu kommen, mal profane Hausarbeiten erledigen oder sich mit dem Personal rumschlagen.
Die lose Struktur, die vor allem einer langen Sketchparade ähnelt, erinnert nicht zufällig an die Arbeiten fürs Fernsehen, für die die Macher Jemaine Clement und Taika Waititi – die das Drehbuch schrieben, Regie führten und zwei der Hauptrollen spielten – bislang vor allem bekannt waren. Doch auch wenn den kaum mehr als 80 Minuten ihrer Vampir-Komödie ein großer Handlungsbogen fehlt, bieten die unterschiedlichen Charaktere doch mehr als genug Stoff für mal grobschlächtige, mal pointierte Gags. Dass dabei auch einiges Blut fliest, gehört zu einem Vampir-Film dazu, ist hier aber stets von einer sanften Melancholie durchzogen, mit der das nicht immer einfache Leben eines Vampirs in der modernen Welt geschildert wird. Einen vom Ansatz her originelleren Film als „5 Zimmer Küche Sarg“ wird man in diesem Kinojahr kaum finden.
Michael Meyns
Den neuseeländischen Regisseuren Jemaine Clement und Taika Waititi ist es gelungen, eine Vampir-WG über Monate mit der Kamera zu begleiten. Natürlich nicht tatsächlich, doch das kann dem Kultpotential ihrer pseudo-dokumentarischen Vampirkomödie rein gar nichts anhaben.
Es gehört schon Einiges dazu, dem Genre des Vampirfilms noch etwas Neues abzuringen, doch Jemaine Clement und Taika Waititi ist es tatsächlich gelungen. „5 Zimmer, Küche, Sarg“ arbeitet geschickt mit den bekannten Legenden und popkulturellen Mythen über Blutsauger und andere dämonische Wesen und lässt nur ganz selten das Gefühl aufkommen, sich bei filmischen Vorgängern den einen oder anderen Gag „entliehen“ zu haben.
Das innovative Element dieser Vampiregeschichte ist der dokumentarische Rahmen, innerhalb dessen sich der Film als realer Einblick in das Leben neuseeländischer Untoter ausgibt. Die Gestaltungsmittel – Handkamera, Interviewsequenzen und sogar als solche explizit ausgewiesene „nachgestellte Szenen“ – fügen sich nahtlos in das Konzept, ohne jedoch tatsächlich Authentizität zu entwickeln. „5 Zimmer, Küche, Sarg“ ist eine Komödie und steht dazu. Dass die Effekte zuweilen trashig wirken oder perfekt platzierte Kameraschwenks aufwendigere Gestaltungsmittel ersetzen, verleiht dem Gesamtwerk in diesem Kontext besonderen Charme. Der Zuschauer soll hier nicht getäuscht, sondern unterhalten werden.
Und das gelingt! Jemaine Clement und Taika Waititi, die als Vladislav und Viago auch in Hauptrollen vor der Kamera stehen, erzählen die Geschichte einer Männer-WG, die sich - von kleinen Konflikten des alltäglichen Lebens wie Abwasch und Putzplänen einmal abgesehen - seit Jahrhunderten durch ein freundschaftliches und friedliches Miteinander auszeichnet. Doch nachdem der 8.000 jährige Petyr (Ben Fransham) überraschend das gemeinsame Abendbrot in einen Vampir verwandelt, ist es mit der Ruhe vorbei. Denn Neuankömmling Nick (Cori Gonzalez-Macuer) ruft mit seinem losen Mundwerk Vampirjäger und Werwölfe auf den Plan.
Jemaine Clement und Taika Waititi verlieren ihr dokumentarisches Konzept auch in den absurdesten Momenten nicht aus den Augen und können so den Witz der Grundidee bis zum Ende aufrechterhalten. Doch es ist nicht nur die ungewöhnliche Form, die hier Humor produziert. Die beiden Regisseure brechen auch mit der von „Twilight“ genährten Vorstellung makellos hübscher, intelligenter und stets überlegener Vampire. Viago, Vladislav, Deacon und Petyr sind vier von der Gesellschaft weitgehend isolierte Junggesellen, oder - um es kurz zu sagen – Nerds. In ihrer sozialen Inkompatibilität absolut liebenswert, wachsen die Helden dem Zuschauer trotz ihres Ernährungsplans schnell ans Herz.
Von literweise Kunstblut einmal abgesehen bleibt „5 Zimmer, Küche, Sarg“ bei all dem überraschend brav. Ein wenig derb dürfen die Vampire wohl sein, aber schockieren oder erschrecken sollen sie ganz offensichtlich niemanden. Clement und Waititi verzichten auf gruselige Horrorelemente und wenn es einmal brutaler zugeht, bricht der Humor das bedrohliche Moment auf ein komödiantisches herunter. So bleibt „5 Zimmer, Küche, Sarg“ durchgehend ein leichter Unterhaltungsfilm für ein breites Publikum.
Innerhalb des dokumentarischen Rahmens arbeiten die Filmemacher mit einer sehr funktionalen Spielfilmdramaturgie. Auf die Vorstellung der Figuren und ihres Settings folgt der Wendepunkt, der in Nicks Transformation besteht und kleinere und größere Katastrophen nach sich zieht. Der eingangs angekündigte Vampirball etabliert nebenher einen zweiten Spannungsbogen, der durch die Ankündigung, Vladislav werde dort auf seinen Erzfeind „The Beast“ treffen, gen Ende noch einmal kräftig anzieht. So können Clement und Waititi ihrem Publikum deutlich mehr bieten als nur eine Aneinanderreihung kleiner Vampirgags. Eine Mockumentary ist das allerdings nicht. Der dokumentarische Charakter des Films ist viel zu offensichtlich nur eine stilistische Hülle. Im Kern ist „5 Zimmer, Küche, Sarg“ stattdessen eindeutig eine Vampir-Komödie. Und zwar die beste seit Langem.
Sophie Charlotte Rieger