Für die Liebe gibt es kein vorgeschriebenes Alter. Das muss auch die fast 70-jährige Sängerin Seija feststellen, als sie sich noch einmal verliebt, und das ausgerechnet in einen jüngeren Mann. Die finnische Komödie ist ein Film der leisen Töne. Auf den Punkt, genau beobachtend, mit einer universellen Aussage.
Webseite: https://70istauchnureinezahl.der-filmverleih.de/
70 on vain numero
Finnland 2023
Regie: Johanna Vuoksenmaa
Buch: Johanna Vuoksenmaa
Darsteller: Hannele Lauri, Mikko Nousiainen, Misa Palander
Länge: 102 Minuten
Verleih: Der Filmverleih
Kinostart: 24. August 2023
FILMKRITIK:
Seija ist seit Jahrzehnten eine erfolgreiche, wohlsituierte Sängerin. Ihr selbst macht das Alter nichts aus, aber sie merkt schon, dass ihr Umfeld Alter anders definiert. Plötzlich will man ihr Songs geben, in denen es ums Altern geht. Da ist es für Seija erfrischend, einen Komponisten kennen zu lernen, der nicht nur begabt ist und sie ermuntert, selbst einen Songtext zu verfassen, sondern auch an ihr interessiert wird. Die beiden werden ein Paar, aber Seija fragt sich schon, ob sie ihm überhaupt gerecht werden kann.
„Liebe kennt kein Alter“, sagt Seija zur Mutter ihres Freundes. Die entgegnet: „Das Leben aber schon.“ Und überhaupt wäre es ihr sogar lieber, wenn ihr Sohn einen Mann lieben würde als eine Frau, die im gleichen Alter wie seine Mutter ist. Er wiederum hat kein Problem mit dem Alter, aber im Umgang mit seiner Mutter wird Seija dann doch unsicher.
Johannna Vueoksenmaa hat einen klugen Film erschaffen. Einen, der sich mit einem Thema befasst, das heutzutage etwas häufiger im Kino angesprochen wird. Es geht um die Frage des Alterns und wie es stattfinden sollte. Denn natürlich hat die Gesellschaft ein klar definiertes Bild, was Menschen in einem gewissen Alter tun und wie sie sich verhalten sollten. Aber das fordert nicht nur Seija, sondern auch der Film heraus.
Denn das Alter ist tatsächlich nur eine Zahl. Wie man sich fühlt, ist eine ganz andere Frage. Seija fühlt sich nicht alt. Sie mag es körperlich sein, aber davon will sie ihr Leben nicht bestimmen lassen, ebenso wenig, wie von der Gesellschaft. Und doch lebt auch sie nicht um luftleeren Raum. Anfangs versteckt sie ihre Beziehung zu ihrem neuen Freund, weil sie in den Klatschblättern nicht lesen will, dass ihr Freund viel jünger und sie ein „Cougar“ sei.
So geht es auch darum, zu akzeptieren, dass man die Wahrnehmung anderer nicht ändern kann. Vor allem aber, dass man sich von ihr nicht selbst einengen lassen darf. Man lebt das Leben, wie man es möchte – und wenn das dem Nachbarn missfällt, ist das einzig und allein sein Problem.
„70 ist auch nur eine Zahl“ ist ein Film der leisen Töne. Vergnüglich, amüsant, voll echtem Gefühl. Schönes Kino für durchaus ältere Zuschauer, die an authentischen Geschichten interessiert sind.
Peter Osteried