7500

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Eine Flugzeug-Entführung im Film verspricht immer Spannung und Action. „7500“ verlagert diese Handlung rein ins Cockpit und trimmt sie stark in Richtung psychologische Spannung. Das erstaunliche Spielfilm-Debüt von Patrick Vollrath überrascht nicht nur mit Hollywood-Star Joseph Gordon-Levitt als Piloten sehr positiv.

Webseite: www.7500-film.de

BRD/Österreich 2019
Regie: Patrick Vollrath
Drehbuch: Patrick Vollrath und Senad Halilbasic
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Aylin Tezel, Omid Memar, Carlo Kitzlinger, Murathan Muslu, Paul Wollin
Länge: 92 Min.
Verleih: Universum Film
Kinostart: 26.12.2019

FILMKRITIK:

Die Zahl „7500“ steht in der Luftfahrt für eine Flugzeugentführung. Es ist also klar, wohin der Flug von Berlin nach Paris steuern wird. Doch intensiv ist diese Inszenierung schon vor dem Abheben. Die einzelnen Schritte vom Checken des Flugmaterials bis zum Bestellen des Menüs, das Gespräch vom amerikanischen Ko-Piloten Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) mit seinem Kapitän und der heimlichen Freundin hinten im Passagierabteil ... alles, was im Cockpit passiert, packt bereits bevor Außergewöhnliches passiert.
 
„Alles, was im Cockpit passiert“ ist dann auch der ganze Film. Denn er verlässt - bis auf Überwachungsvideos am Anfang und den Monitor zum Passagierraum - nie diesen engen Raum, diese Hochdruckkammer der Spannung. Regisseur Patrick Vollrath intensivierte diese dichte Kammerspiel-Wirkung schon beim Dreh: Er ließ die Kamera 20, 30, manchmal 60 Minuten am Stück laufen. Und diese immense Anspannung ist im Film spürbar.
 
Mit dem Essen für die beiden Flugzeug-Führer brechen Gewalt und Action in die Kabine ein. Zwei Männer versuchen, in die Kanzel einzudringen, verletzten den Kapitän schwer und den Ko-Piloten am Arm. Doch Tobias drängt einen wieder hinter die Sicherheits-Türe und schlägt den anderen ohnmächtig. Während weitere Entführer enervierend auf die Türe hämmern, drohen sie über Kamera und Sprechanlage, Passagiere zu ermorden, wenn man sie nicht in die Kabine lässt. Derweil steuert Tobias Hannover für eine Notlandung an...
 
Bei allen Unterschieden zu den üblichen Flugzeug-Entführungen, bei denen Präsidenten („Air Force One“) oder Jodie Foster („Flightplan“) in erstaunlich weitläufigen Maschinen die Kontrolle zurückgewinnen, hat „7500“ vor allem eines mit ihnen gemeinsam: Er ist extrem spannend! Der entscheidende Unterschied neben der Konzentration auf engen Raum liegt im Fokus auf der Psychologie statt auf Action. Gemäß des Film-Mottos „Auge um Auge, bis die ganze Welt erblindet“ (Gandhi) kämpft Tobias Ellis nicht so sehr gegen seine Gegner, sondern für das Überleben aller, selbst seiner Gegner. Dazu gehört auch, das Überwinden niederer Rachegefühle, die 99% solcher Filme befeuern. Verständigung im weiteren Sinne ist ein Thema in den Gesprächen zwischen Tobias und einem jungen Entführer. Vollrath hält sich ebenfalls bei der Darstellung drastischer Momente angenehm zurück. Intensiv dagegen die Darstellerleistung von Joseph Gordon-Levitt („Snowden“, „The Dark Knight Rises“, „500 Days Of Summer“). Er trägt den Film größtenteils und kann eine entschlossene, energische, aber auch kluge Figur glaubhaft rüberbringen. „7500“ ist ohne unnötige Gewalt oder Zynismus raffiniert.
 
Patrick Vollrath wurde für seinen Kurzfilm „Alles wird gut“ mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde und für den Oscar nominiert. Joseph Gordon-Levitt erklärte in einem Interview, was ihn für diese deutsch-österreichische Produktion überzeugt hätte: Er glaube nicht an absolut gute oder böse Charaktere. Und die Beschränkung auf nur ein Set habe ihm sehr bei der Konzentration geholfen habe. Genau die Mehrschichtigkeit seines jungen Gegenspielers Vedat (Omid Memar) und die Weigerung des Films, jemanden einfach „abzuschreiben“, machen „7500“ interessant und positiv anders.
 
Seine Weltpremiere erlebte der mit viel deutscher Filmförderung entstandene „7500“ auf der Piazza Grande in Locarno in Anwesenheit vom Team und seinem Star Joseph Gordon-Levitt. Der deutsche Start ist für Dezember 2019 geplant, aber es ist schon fast zuviel der Spannung, das Publikum so lange auf außergewöhnliche Hochspannung warten zu lassen.
 
Günter H. Jekubzik