Ein klein wenig könnte man „A Different Man“ als das männliche Pendant zu „The Substance“ ansehen. In beiden Filmen geht es um das Äußere, um die Schönheit, um die Deformation. Das nutzt Autor Aaron Schimberg für eine Betrachtung des ewigen Konflikts zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung.
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A Different Man
USA 2024
Regie: Aaron Schimberg
Buch: Aaron Schimberg
Darsteller: Sebastian Stan, Miles G. Jackson, Patrick Wang
Länge: 108 Minuten
Verleih: Universal Pictures
Kinostart: 5. Dezember 2024
FILMKRITIK:
Edward ist von mehreren Tumoren entstellt. Er hat sich daran gewöhnt, dass er angestarrt wird. Dem Blick anderer weicht er nicht aus, aber sein Leben wird auch nicht einfacher, weswegen er sich auf eine experimentelle Behandlung einlässt, die ihm sein ursprüngliches Aussehen wiedergeben soll. Edward erhofft sich ein besseres Leben. Eines, in dem er auch als Schauspieler brillieren kann. Aber nachdem die Behandlung Erfolg ist und er für ein Stück vorspricht, für das er praktisch geboren worden ist, hadert er mit seiner Entscheidung. Entstellt, wie er war, wäre er perfekt für die Rolle gewesen, so jedoch ist er zu hübsch dafür und bekommt sie doch, bis ihm durch einen anderen Schauspieler mit Deformationen Konkurrenz entsteht. Gibt es einen Weg zurück zu seinem früheren, seinem echten Selbst? Ist er der Mann, der er vor der Behandlung war oder ein neuer Mensch?
Aaron Schimbergs Film existiert in einer Hyperrealität, in der die Menschen nicht immer das tun, was echte Menschen tun würden. Das gilt für kleine, aber auch große Momente. Zugleich wirkt der Film mit seinem New Yorker Setting, aber auch den kühlen Farben und der körnigen Auflösung wie ein Werk aus den Siebzigerjahren. Dazu passt auch die Maske, die Sebastian Stan trägt. Das Make-up ist gut, aber nicht überragend, tatsächlich fühlt man sich an den Wissenschaftler in „Tarantula“ (1955) erinnert. Der Stil ist faszinierend, er konterkariert das Unwirkliche mit dem Realen. Er ist auch Ausdruck des Konflikts der Hauptfigur, deren Selbstwahrnehmung verzerrt ist.
Es ist ein nicht unbekanntes Phänomen. Es kann nach plastischer Chirurgie auftreten, dass ein Mensch beim Blick in den Spiegel nicht mehr das Gefühl hat, sich selbst zu sehen. Ein lebenslanges Hadern mit einem empfundenen Defekt wird dann zu einem Hadern damit, nicht mal man selbst zu sein. Das erleidet auch Edward, in der extremen Version, und das nicht nur, weil er die Rolle seines Lebens findet, sondern auch, weil er sich in seiner Haut mehr oder minder gut fühlte. Die Botschaft des Films ist wohl, dass Selbstvertrauen Schönheit ist, dass es wichtig ist, sich in seiner eigenen Haut gut zu fühlen, egal, wie die Wahrnehmung von außen sein mag. Aber erst, als sein Konkurrent auf der Bildfläche erscheint, wird Edward der Spiegel vorgehalten. Er sieht sich selbst in ihm, aber in einer weit besseren Version.
Der Film ist schwer greifbar, weil keine der Figuren wirklich sympathisch ist. Weder Edward, der zu einem hässlichen Zerrbild seines Selbst wird – schön von außen, abstoßen von innen –, noch seine Nachbarin, die einen Narren an ihm gefressen wird. Die Norwegerin Renate Reinsve spielt den Part, der nur eine Variation ähnlich unsympathischer Figuren wie jener aus „Der schlimmste Mensch der Welt“ ist.
„A Different Man“ wird als Komödie beschrieben, auch als Thriller, im Grunde ist er aber ein Drama. Eines, das seine Momente hat, das aber auch lange braucht, um die Handlung in Gang zu bringen. Aber nicht nur das, er leidet auch darunter, dass er etwas zu prätentiös daherkommt. Ein interessanter Film mit starken Momenten, der seinem Potenzial aber nicht ganz gerecht wird.
Peter Osteried