A Good American

Zum Vergrößern klicken

Der Doku-Thriller „A Good American“ schildert Leben und Werk von Bill Binney, der ein revolutionäres Überwachungsprogramm für die NSA entwickelte: „ThinThread“. Mit ihm hätten sich 9/11 und andere Anschläge wahrscheinlich verhindern lassen – ohne die Privatsphäre der Menschen zu verletzen. Kurz vor 9/11 wurde es eingestampft. Die Fragen, die der Film stellt: wie genau funktionierte es, was führte zur Einstellung und welche Rolle spielte die NSA? „A Good American“ ist ein hochinformatives und aufrüttelndes Werk, dazu spannend wie ein Thriller. Hinzu kommt die atmosphärische, reizvolle audiovisuelle Ausgestaltung.

Webseite: www.dropoutcinema.org

Österreich 2015
Regie: Friedrich Moser
Drehbuch: Vincent Garenq, Julien Rappeneau
Darsteller: William Binney, Thomas Drake, Edward Loomis,
Jesselyn Radack, Diane Roark, Tim Shorrock
Länge: 100 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 03.11.2016
 

FILMKRITIK:

Der Doku-Thriller „A Good American“ befasst sich mit dem für die NSA entwickelten Überwachungsprogramm „ThinThread“, das terroristische Anschläge wie etwa 9/11 nachweislich hätte verhindern können – wenn es nicht wenige Wochen davor eingestellt worden wäre.  Zudem rückt „A Good American“ den Mann ins Zentrum, der maßgeblich an der Entwicklung von „ThinThread“ beteiligt war: Bill Binney, ehemaliger Technischer Direktor der NSA und einer der fähigsten Code-Knacker. Binney gewährt einen Einblick in eine Zeit, als der Politik die wachsende Bedrohung durch islamistische Terroristen immer klarer und daraufhin das revolutionäre Programm „ThinThread“ geschaffen wurde.

„A Good American“ stammt vom österreichischen Autor und Regisseur Friedrich Moser, der schon über 20 Dokumentationen realisiert hat. Einer seiner bis heute bekanntesten Filme ist „The Brussels Business“ von 2012. Darin geht es um die von Lobbyisten ausgehende Gefahren für die europäische Demokratie. Die Bedrohung für die US-Demokratie und die Bevölkerung durch Massenüberwachung ist hingegen ein Aspekt von „A Good American“. Diese Themen sind aktueller denn je, nicht zuletzt auch durch Oliver Stones Film „Snowden“.

Doku-Thriller – diese Beschreibung trifft exakt auf Friedrich Mosers Film zu, der das Beste aus beiden Genres zusammenbringt. Er ist zunächst einmal spannend und emotional mitreißend wie ein guter Thriller, was in erster Linie an der audio-visuellen Ausstaffierung liegt. Die Musik ist mal atmosphärisch und zurückhaltend, mal bedrohlich und beängstigend, als künde sie von einer lauernden, gewaltigen Gefahr. Visuell wechselt Moser – handwerklich und dramaturgisch extrem gekonnt – zwischen Original-Aufnahmen terroristischer Anschläge sowie visualisierter Vorgänge aus dem Inneren des Überwachungsprogramms. Dazwischen gibt es Spielszenen und Interviews. Jede Einstellung sitzt und alle Elemente bzw. Szenen sind sinn- und kunstvoll miteinander verwoben und aneinandergereiht.

Aber auch als Dokumentation von bis heute der allgemeinen Öffentlichkeit wenig bekannten Ereignissen, funktioniert der Film bestens. Chronologisch und für den Zuschauer gut nachvollziehbar, schildert er den Beginn der wachsenden terroristischen Bedrohung, die vor allem mit der Entwicklung immer neuer Kommunikationsmöglichkeiten und der Digitalisierung einherging. Dabei vergisst der Film nie seine Hauptfigur: William „Bill“ Binney. Seine Ex-Kollegen beschreiben ihn im Film als den „talentiertesten und präzisesten“ Code-Knacker seiner Zunft. Als fähiger Code-Knacker sowie Mathe-Ass verfügt er über ein gewaltiges Verständnis von Systemen, Netzwerken und Metadaten. Binney weiß zudem wie kaum sonst jemand über das Innerste der NSA zu berichten. Und: er verließ viele Jahre vor Snowden aus Protest gegen die Datensammelwut die NSA und wurde zum Whistleblower. Schon 2011 verwies er die Öffentlichkeit auf die Datensammelpraxis der NSA.

Was Binney sowie seine Ex-Kollegen berichten und was der Film auf intensive Art anhand von Spielszenen nachstellt, ist schockierend und kaum zu fassen: Binney und seine Kollegen entwickelten ein Programm, mit dem es gelang, alle Kommunikationsverbindungen der Welt (Mail, Telefon, Chat etc.) zu erfassen, zu analysieren und auszuwerten – ohne in die Bürgerrechte oder Privatsphäre der Menschen einzugreifen. Terroristische Anschläge wie 9/11, aber auch die Anschläge von London, Madrid, Brüssel etc., hätte man so vermutlich verhindern können. Doch Regierung und NSA stampften das Programm ein. Was folgte, war die beispielloseste Abhöraktion der Geschichte – mit Hilfe der von Binney entwickelten Codes und Techniken, die von der NSA für andere, finanziell einträglichere Spionagesysteme genutzt wurden.

Binney schätzt, dass die NSA mittlerweile rund 50 Billionen E-Mails und Telefonate aus der ganzen Welt – Verbindungsdaten aber auch Inhalte – speichert.  

Björn Schneider