A Most Wanted Man

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Durch und durch ein Le Carré ist Anton Corbijns Verfilmung von „A Most Wanted Man“, in der der Meister der unterkühlten, pessimistischen Spionagethriller seine bekannte und bewährte Formel nach Hamburg verlegt. Besonders Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Hauptrolle brilliert in einem subtilen Agentenfilm über die Terrorbekämpfung in der Welt nach 9/11.

Webseite: www.amostwantedman.senator.de

GB/ USA/ Deutschland 2013
Regie: Anton Corbijn
Buch: Andrew Bovell, nach dem Roman von John le Carré
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Grigoriy Dobrygin, Robin Wright, Nina Hoss, Homayoun Ershadi, Daniel Brühl, Martin Wuttke, Herbert Grönemeyer
Länge: 121 Minuten
Verleih: Senator, Vertrieb: Central
Kinostart: 11. September 2014
 

Pressestimmen:

"Nicht nur ein guter Thriller, sondern vor allem eine großartige Charakterstudie mit einem Schauspieler auf dem Höhepunkt seiner Kunst."
DER SPIEGEL

"Ein Spionagefilm, der keine spektakulären Verfolgungsjagden braucht, sondern nur eine kluge, vielschichtige Geschichte, perfekte Schauspieler und eine Melancholie, die einen schon vor lauter Schönheit zum Weinen bringt."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) leitet in Hamburg eine kleine Gruppe von Geheimagenten, die den Auftrag hat, islamistische Gruppen zu infiltrieren. Ihre Methoden sind ungewöhnlich, gegenüber wem sie sich zu verantworten haben ist unklar, und ihre Gegner in den Reihen der offiziellen Geheimdienste zahlreich. Erst recht, als Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) in Hamburg auftaucht, ein halb russischer, halb tschetschenischer Flüchtling, dessen Absichten lange unklar bleiben. Er wendet sich an die Menschenrechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams), die ihm helfen will, mit dem Bankier Thomas Brue (Willem Dafoe) in Kontakt zu treten, der an Issa vererbtes Geld verwaltet.
 
Da Bachmann im Gegensatz zu den Chefs des deutschen Geheimdienstes und auch der CIA-Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) bald von der Unschuld Issas überzeugt ist, versucht er Brue und Richter mit allen Mitteln davon zu überzeugen, ihm zu helfen: Das zu diesen Mitteln Entführung und Erpressung gehören, raubt Bachmann und seinen Helfern – darunter Irna Frey (Nina Hoss) – zwar nicht den Schlaf, die Zweifel an seinem Tun sind jedoch allgegenwärtig.
 
Im Kampf gegen die tatsächlichen oder eingebildeten Gefahren des internationalen Terrorismus sind jedoch alle Mittel recht und so versucht Bachmann den prominenten Hamburger Muslim Faisal Abdullah (Homayoun Ershadi) in die Falle zu locken: Issas Geld soll an Abdullah gespendet werden, der damit auch Waffengeschäfte finanziert. Doch wie brüchig in der Welt der Geheimdienste getroffene Vereinbarungen sind, muss Bachmann schmerzhaft erfahren.
 
In Hamburg planten Mohammad Atta und seine Komplizen das Attentat vom 11. September, was neben der Entführung und langjährigen Haft in Guantanomo des deutschen Staatsbürgers Murat Kurnaz Anlass für John le Carré war, seinen 2008 publizierten Roman „A Most Wanted Man“ zu schreiben. So beißend wie im Roman ist die Kritik an den Methoden der Bush-Regierung in der Verfilmung von Anton Corbijn zwar nicht, doch die Zweifel, die Günter Bachmann an den Mustern der Geheimdienste hat, die lieber einen kleinen Fisch verhaften als zu versuchen, dass große Ganze zu bekämpfen, sind tragendes Element des Films.
Der Anfang des Jahres verstorbene Philip Seymour Hoffman spielt hier seine letzte Hauptrolle und ist mit seinem melancholischen, verbrauchten Gesicht die Idealbesetzung für den typischen le Carré-Helden, der an seinem Job zweifelt und für seine Versuche, das moralisch (halbwegs) Richtige zu tun, bitter bestraft wird. Auch wenn dies der klassische le Carré-Modus ist, den man schon oft gelesen bzw. gesehen hat – zuletzt in „Bube, Dame, Ass, Spion“ – bleibt es eine zeitlose Geschichte, die von Anton Corbijn stilsicher inszeniert wird.
Mit „Control“ und „The American“ hatte sich der ehemalige Pop-Fotograf Corbijn als interessanter Regisseur etabliert, hier liefert er seinen inhaltlich komplexesten Film ab.
 
Wie immer bei le Carré fordert auch „A Most Wanted Man“ höchste Aufmerksamkeit, um die komplizierten Verstrickungen der Geschichte nachvollziehen zu können. Dass neben Hoffmann eine ganze Riege exzellenter internationaler und deutscher Schauspieler zu sehen sind, vergrößert das Vergnügen noch zusätzlich, auch wenn es aus deutscher Sicht etwas bedauerlich ist, dass Schauspieler wie Nina Hoss und Daniel Brühl in winzigen Rollen etwas verschwendet wirken.
 
Doch dafür fasziniert ein weiterer deutscher Hauptdarsteller: Hamburg. Während etwa die deutsche Hauptstadt Berlin in den letzten Jahren durch unzählige Filme geradezu „abgefilmt“ ist, ist die Hansestadt im Kino noch weitestgehend unentdecktes Pflaster. So bieten sich Corbijn und seinem Kameramann Benoît Delhomme unzählige Möglichkeiten, die Architektur Hamburgs in Szene zu setzen, in Kiezkneipen zu filmen und die Melancholie einer Hafenstadt für ihre Zwecke zu benutzen.
 
Auch wenn „A Most Wanted Man“ das Rad des le Carré-Agententhrillers nicht neu erfindet, bietet Anton Corbijns Film dennoch intelligente, erwachsene Unterhaltung auf höchstem Niveau.
 
Michael Meyns