Seit Jahren beschäftigt sich der deutsche Regisseur Till Schauder mit dem Iran, hat es sogar geschafft, in dem autoritären Staat zu drehen. Zusammen mit seiner Frau Sara Nodjoumi entstand nun der Dokumentarfilm „A Revolution on Canvas“, der sich weniger um Malerei dreht, als den Künstler Nickzad Nodjoumi, Vater und Schwiegervater der Regisseure, zu porträtieren, der ein filmreifes Leben geführt hat.
USA 2023
Regie: Sara Nodjoumi & Till Schauder
Dokumentarfilm
Länge: 95 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 22. August 2024
FILMKRITIK:
1979, das Jahr der iranischen Revolution. Ein Jahr später muss der 1942 geborene iranische Künstler Nickzad Nodjoumi zusammen mit Frau und Tochter aus seiner Heimat fliehen, wegen seiner Kunst. Eine Ausstellung seiner Bilder im Museum für Moderne Kunst in Teheran war kurzfristig abgesetzt worden, doch nicht nur das. Auch wenn Nodjoumi zumindest zu Beginn der Revolution positiv gegenüberstand, begrüßt hatte, dass mit ihr die langjährige Diktatur des Schas beendet wurde, werden seine Bilder nun als konterrevolutionär bezeichnet.
In den USA findet die Familie Nodjoumi ein zweites zu Hause, doch das Leben ist schwierig. Nicht zuletzt durch die Geiselnahme von Mitarbeitern der amerikanischen Botschaft, sträuben sich Galerien und Museen in den USA lange, Künstler aus dem Iran auszustellen, Inzwischen hat sich das geändert, hängen Bilder von Nodjoumi in den Sammlungen wichtiger Museen.
Doch was passierte mit den Bildern, wegen denen er vor nunmehr über 40 Jahren das Land verlassen musste? Diese Frage dient dem Ehepaar Sara Nodjoumi und Till Schauder als roter Faden für ihren Dokumentarfilm „A Revolution on Canvas.“ Vermutlich befindet sich die Bilder in den Kellerräumen des Museums, einem langsam verfallenden, modernistischen Bau in der Hauptstadt Teheran, wo vor der Revolution eine eindrucksvolle Sammlung westlicher Kunst beherbergt war. Persönlich können Nodjoumi und Schauder allerdings nicht (mehr) in den Iran reisen, stattdessen treffen sie in Istanbul Mittelsmänner, sprechen via Skype mit Menschen im Iran, die ihnen bei der Spurensuche behilflich sein könnten. Das diese Personen oft verpixelt erscheinen, dass ihre Namen nicht genannt werden, deutet an, wie heikel es momentan ist, sich mit Fragen zu beschäftigen, die dem offiziellen Iran nicht genehm erscheinen.
Doch die Suche nach den Bildern ist nicht der interessanteste Aspekt des sehr persönlichen Films, der trotz der Nähe zwischen Filmemachern und Subjekt, ohne die der Film gar nicht möglich gewesen wäre, nicht unkritisch ist.
Denn es gibt noch eine Dritte im Bunde, Nahid Hagigat, Nickzads ehemalige Frau, Saras Mutter und selbst eine Künstlerin. In sehr offenen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrem Vater, der dabei oft malt, was ganz gut seine Prioritäten im Leben zu spiegeln scheint, versucht Sara Nodjoumi zu ergründen, was ihren Vater an- und umtrieb. Und das scheint in erster Linie die Kunst und die Revolution gewesen zu sein.
Immer wieder werden seine wuchtigen Bilder eingeblendet, die sich sehr deutlich mit der Revolution, aber auch dem ihr folgenden, zunehmend radikaleren Islam beschäftigen, der den Iran zunehmend erdrückt. Das während der Dreharbeiten zu diesem Film brutal niedergeschlagene Proteste auf den Straßen Teherans tobten, verleiht „A Revolution on Canvas“ zusätzliche Aktualität. Ein vielschichtiger Film ist so entstanden, dem es gelingt aus einer persönlichen Erzählung heraus, ein universelles Porträt eines Landes zu entwickeln, das zwar oft in den Medien auftaucht, aber nicht oft so differenziert beschrieben wird, wie es hier gelingt.
Michael Meyns