Agent of Happiness – Unterwegs im Auftrag des Glücks

Die liebenswerte und bildstarke Dokumentation führt in das Königreich Bhutan inmitten der faszinierenden Bergwelt des Himalaya. Die dort praktizierte und im Buddhismus begründete „Glückspolitik“ ist inzwischen weltweit bekannt. Aber was ist Glück, und wie entsteht es? Was macht die Menschen glücklich und zufrieden?

Der bhutanische Filmemacher Arun Bhattarai und seine ungarische Partnerin Dorottya Zurbó begleiten zwei staatliche Angestellte, die zur Ermittlung des jährlichen Bruttonationalglücks durchs Land reisen, um mithilfe von umfangreichen Befragungen den Glücksquotienten in der gesamten Bevölkerung zu ermitteln. In häufig traumschönen Bildern und in anrührenden Begegnungen mit den Menschen Bhutans geht es aber nicht nur um die Befragten, sondern auch um die Meinungsforscher selbst, die ebenfalls auf der Suche nach ihrem privaten Glück sind.

 

Über den Film

Originaltitel

Agent of Happiness

Deutscher Titel

Agent of Happiness – Unterwegs im Auftrag des Glücks

Produktionsland

BTN,HUN

Filmdauer

94 min

Produktionsjahr

2023

Produzent

Szakonyi, Noémi Veronika / Vincze, Máté Artur

Regisseur

Bhattarai, Arun

Verleih

Filmwelt Verleihagentur GmbH

Starttermin

03.07.2025

 

Zu Beginn geht’s in ein Grundlagenseminar für Interviewer, gerade referiert die engagierte Dozentin zur Theorie des Bruttonationalglücks, kurz BNG – aber keine Bange: Es wird der einzige Ausflug in die Grundlagen dieser einzigartigen politischen Zielvorgabe. Es folgen noch ein paar Ermahnungen, die Umfrage wirklich mit Hingabe durchzuführen, und schon machen sich die beiden Kollegen Amber und Guna, ausgestattet mit den kleidsamen Uniformen der Staatsbeamten, auf die beschwerliche Reise, die sie in ihrem fröhlich orangefarbenen Kleinwagen durch ganz Bhutan führen wird, durch Städte und Dörfer, in die abgelegensten Himalaya-Täler und hinauf in die Berge.

Alle ihre Gesprächspartner sind gern bereit, die für europäische Begriffe teilweise ziemlich originellen und manchmal recht intimen Fragen zu beantworten. Darin geht es nicht nur um den Lebensstandard und um die Besitztümer, um die Gesundheit und um die Teilhabe am kulturellen Leben, sondern auch um viele Fragen zu den konkreten Lebensumständen. Gleich zu Beginn treffen Guna und Amber auf eine Frau mit Glücksindex 10, deren Kuh gerade ein gesundes Kälbchen geboren hat. Das Glücksgefühl dieser Frau ist nicht zu toppen, besser geht’s nicht. Doch nicht alle sind so zufrieden wie sie, beispielsweise die Transperson Dechen, die sich mit Auftritten in einer Bar über Wasser hält, wo sie singt und vor johlenden Männern eine Art zurückhaltenden Striptease absolviert. „Wieso wurde jemand so Trauriges wie ich in diesem glücklichen Land geboren?“, fragt Dechen. Doch sie ist bei Weitem nicht die einzige mit einem tragischen Schicksal. Und nicht zuletzt ist es der Glücksagent Amber selbst, der alles andere als zufrieden ist mit sich selbst und seinem Leben. Amber hat nämlich keine bhutanische Staatsbürgerschaft, was ihn zum Ausländer in macht und seine Rechte stark einschränkt. Nur allzu gern würde Amber endlich eine Familie gründen und heiraten, aber ohne einen bhutanischen Pass hat er keine Chance.

Was zu Beginn vielleicht irgendwie drollig, auf jeden Fall aber exotisch wirkt: die Interviews zum persönlichen Glückslevel, inklusive der Organisation, wie sie durchgeführt werden, gewinnt im Laufe des Films immer mehr an existenzieller Bedeutung. In lockerer Form und in teilweise atemstockend schönen Bildern aus der Bergwelt des Himalaya führt der Film quer durch das Land, über die Berge und durch die Täler, über schmale Brücken und durch Flussläufe zu den verschiedensten Menschen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie offen und freundlich Auskunft über ihre Lebensumstände geben, auch mal mit ihren Interviewern schäkern und insgesamt meist gut gelaunt die zahlreichen Fragen beantworten. Die beiden Regisseure, Arun Bhattarai und Dorottya Zurbó, mischen sich nicht ein, sie zeigen Amber und Guna bei ihrer Arbeit, ohne sie zu kommentieren, und lassen ihre Protagonisten sprechen. Das macht den Film authentisch, auch in seinem leisen Humor. Zum Abschluss jeder Befragung gibt es noch ein schönes Tableau – Wes Anderson lässt auch hier ein bisschen grüßen –, bei dem die Interviewten vor der Kamera posieren und in Form eines Inserts der jeweilige Glücksindex angezeigt wird. Dieser kleine dramaturgische Trick macht den Film zusätzlich interessant und liebenswert.

Ambers Rolle gewinnt im Verlauf des Films immer mehr an Bedeutung. Der Glücksagent selbst erweist sich als jemand, der gut und gerne noch ein bisschen mehr eigenes Glück gebrauchen könnte. Als Angehöriger einer Minderheit ist er staatenlos. Er pflegt seine alte Mutter und träumt von der Ehe, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass er als Staatenloser eine Frau findet. Besonders jüngere Leute wie Amber beobachten sehr kritisch ihr Leben und die Welt um sie herum, und so ganz nebenbei entwickelt sich der Film von einer originellen und witzigen Dokumentation zum Thema Glück auch zur Momentaufnahme eines Landes im Umbruch, denn natürlich sind YouTube und soziale Medien hier ebenfalls allgegenwärtig. Dadurch entstehen neue Sehnsüchte, Begehrlichkeiten und Wünsche, die vielleicht in Bhutan unerfüllbar scheinen. Und es stellt sich die Frage, ob es nicht letztlich immer um die Suche nach dem Glück geht, auf die eine oder andere Weise. Und das nicht nur in Bhutan.

 

Gaby Sikorski

Mehr lesen

Neuste Filmkritiken

ℹ️ Die Inhalte von programmkino.de sind nur für die persönliche Information bestimmt. Weitergabe und gewerbliche Nutzung sind untersagt. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Filmkritiken dürfen ausschließlich von Mitgliedern der AG Kino-Gilde für ihre Publikationen verwendet werden.