Alipato: The Very Brief Life of an Ember

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Wie der Japaner Sabu („Dangan Runner“) nennt sich der philippinische Filmemacher Khavn De La Cruz in seinen Filmen kurz und knapp Khavn. Das ist ein erster Fingerzeig auf das Stilbewusstsein des Underground-Filmers, das bereits „Ruined Heart: Another Lovestory Between a Criminal & a Whore“ auszeichnete. In „Alipato: The Very Brief Life of an Ember“ macht Khavn abermals kaum Zugeständnisse ans Publikum, sondern entwirft eine stilverliebte und störrische Dystopie vor der Kulisse eines leicht in die Zukunft verlagerten Manila. Am ehesten lässt sich die deutsch-philippinische Koproduktion als audiovisuelles Experiment für aufgeschlossene Cineasten einordnen.

Webseite: rapideyemovies.de

OT: ALIPATO: The Very Brief Life of an Ember
Philippinen, Deutschland 2016
Regie: Khavn De La Cruz
Drehbuch: Khavn De La Cruz & Achinette Villamor
Darsteller: Khavn, Dido De La Paz, Bing Austria, Marti San Juan, Robin Palmes
Länge: 87 Min.
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 24. November 2016

FILMKRITIK:

Die schwarze „Kohlenstadt“ Mondomanila im Jahr 2031. In einem von Nebel und Dunst umwaberten Slum der verarmten Megacity vegetiert eine Bande Straßenkids vor sich hin, die sich zur Gang „Kostkas“ zusammengeschlossen haben. Durch Raubzüge und kleinere Gaunereien halten sich die Kinder über Wasser, bis der etwas ältere Anführer das Elend durch einen großen Coup beenden will. Der Überfall auf die Zentralbank von Mondomanila soll Besserung bringen, endet aber in einer wüsten Schießerei. Der Bandenchef wandert für zwei Jahrzehnte ins Kittchen, die Beute verschwindet spurlos. Nach seiner Rückkehr in den Slum wollen die alten Kumpanen und ein paar korrupte Polizisten herausfinden, wo das Geld steckt.
 
Wie schon in „Ruined Heart“ taucht der philippinische Regisseur Khavn De La Cruz auch in „Alipato“ in die Unterwelt Manilas ein. Das dystopische Setting mit der Kindergang im Slum gibt visuell einiges her. Hier nutzt Khavn wieder die volle Bandbreite des filmischen Erzählens. Zeitlupen und Zeitraffer, eine Stop Motion-Szene, Shutter-Effekte und schräge Outfits prägen den Stil des betont artifiziellen Films, der Episoden aneinander reiht und eine nur vage kohärente Geschichte erzählt. Die stilisierte Beleuchtung (etwa mit Feuer und Fackeln), der omnipräsente Nebel, der Müll und der Dreck in allen Ecken der Bildkader prägen die nihilistische Stimmung, auf die es hier vor allem ankommt.
 
Erzählerisch ist „Alipato“ sehr antiklimatisch. Die Schießereien finden im Off statt und die Figuren führen nur wenige, spartanische Dialoge. Wenn Khavn ein Kleinkind mit Zigarette und Waffen inszeniert oder eins der Kinder aus Trotz in einen Topf mit frisch gekochten Nudeln pinkelt, legt „Alipato“ auch eine bewusst provokante Punk-Attitüde an den Tag, die schon die anderen Filme von Khavn auszeichnete und die sich auch im wilden Punksoundtrack spiegelt. Dass es bei diesem Oliver Twist auf LSD kein Entkommen für die gebeutelten Elendskinder gibt, liegt von Anfang an auf der Hand. Die Grabsteine, die Khavn nach jedem der leitmotivischen Todesfälle einblendet, erinnern daran, dass die Figuren noch Kinder (und in der zweiten Hälfte Teenager) sind, die vom Tag ihrer Geburt an wohl nie eine Chance hatten, heil aus diesem Leben raus zu kommen.
 
Christian Horn