Alle hassen Johan

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In der Realität sind Skandinavier für gewöhnlich ganz entspannte, umgängliche Menschen, im Kino dagegen oft etwas seltsam und skurril. Dementsprechend passt die norwegische Tragikomödie „Alle hassen Johan“ genau ins Bild, die mit viel Witz und schwarzem Humor eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt, die sich über viele Jahrzehnte auf einer abgelegenen Insel entwickelt.

Alle hater Johan
Norwegen 2022
Regie: Hallvar Witzø
Buch: Erlend Loe
Darsteller: Pål Sverre Hagen, Ingrid Bolsø Berdal, Ingunn Beate Øyen, John Brungot, Paul-Ottar Gagen, Trond-Ove Skrødal, Vee Vimolmal

Länge: 93 Minuten
Verleih: Kairos
Kinostart: 14. März 2024

FILMKRITIK:

Johan ist ein explosiver Mann. Die Lust daran, Dinge mit Dynamitstangen in die Luft zu sprengen, wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Schon als Baby begleitete er in der Endphase des Zweiten Weltkriegs seine Eltern, die als Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzungstruppen kämpften. Dass sie dabei etwas zu eigenständig vorgingen und schon mal die falsche Brücke in die Luft sprengten, sorgte dafür, dass sie und vor allem Johan von den anderen Bewohnern des kleinen Dorfes nicht gemocht, um nicht zu sagen, gehasst wurden.

Ein Problem, denn auf der kleinen Insel Frøya, nur etwa 100 Kilometer westlich von Trondheim gelegen, aber doch fernab der Welt, kennt jeder jeden und so kann Johan nicht in der Anonymität verschwinden. Erst recht nicht, da er als Erwachsener ein Berg von einem Mann ist, knapp zwei Meter groß, mit langen Haaren und dichtem Bart. So kehrt Johan (Pål Sverre Hagen) mit Anfang 30 auf die Insel zurück, 1974 ist es inzwischen, doch die Narben der Vergangenheit sind tief: Seine Eltern haben sich nach dem Krieg beim Minenräumen in die Luft gesprengt, vor allem jedoch ist da Solvor (Ingrid Bolsø Berdal), Johans Jugendliebe, die er bei einem Unfall mit Dynamit schwer verletzte. Seitdem sitzt sie im Rollstuhl und ist nicht gut auf Johan zu sprechen.

Jahre später, Anfang der 90er Jahre, Johans Bart wird langsam weiß, scheint er mit der Vietnamesin Pey (Vee Vimolmal) sein Glück gefunden zu haben, doch das Schicksal meint es (noch) nicht gut mit ihm.

Fast könnte man diesen Johan für einen modernen, norwegischen Hiob halten, für eine Figur, dem das Schicksal – und ein erbarmungsloser, fast sadistischer Drehbuchautor – Schicksalsschläge in den Weg legt, die ihn sehr lange daran hindern, sein am Ende natürlich verdientes Glück zu finden.

Bisweilen hat man fast Mitleid mit diesem Johan, der nichts Böses an und in sich hat und dennoch ein Außenseiter bleibt. Der Postbote schikaniert ihn, Mitschüler hänseln ihn, seine Eltern werden nicht auf einem Denkmal für Widerstandskämpfer genannt, weil sie zu eigenständig waren. Allein Solvor behält ihn immer ihm Herzen, auch wenn sie es viele Jahre lang nicht zuzugeben wagt.

In der Einsamkeit einer norwegischen Insel hat Hallvar Witzø eine ideale Landschaft für seine Geschichte gefunden, vor allem aber mit Pål Sverre Hagen einen idealen Hauptdarsteller, dessen markantes Gesicht und vor allem dessen traurige Augen mehr sagen als Worte könnten. Was als typischer, einfach nur skurriler skandinavischer Film beginnt, entwickelt sich am Ende zu einem tieftraurigen und doch wunderschönen Film über einen Mann, der erst nach Jahrzehnten sein Glück findet – zumindest für einen kurzen Moment.

 

Michael Meyns