Allein die Wüste

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Eigentlich müsste Dietrich Schuberts Film "Allein in der Wüste" heißen, denn genau das ist es, was der Dokumentarfilmer durchlebt und filmisch aufgezeichnet hat. Fünf Wochen verbrachte er einsam in einem Zelt im äußersten Süden Marokkos, filmt die Wüste, karge Landschaft und sich selbst, und brachte einen bisweilen zähen, aber immer wieder spannenden Film zurück, der sich bewusst für die Langsamkeit entscheidet.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2011 - Dokumentation
Regie: Dietrich Schubert
Länge: 88 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 19. Juli 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Oft führten den in der Eifel lebenden Filmemacher Dietrich Schubert Recherchereisen und Dreharbeiten in die Wüste. Dokumentation wie „Spuren in der Sahara“, „Reise ins Tibesti“ oder „Die Seele aber wird allein in der Wüste gewaschen“ entstanden im Lauf der Jahre - und ganz nebenbei der Wunsch, die punktuelle Einsamkeit, die während der Arbeit in der Wüste entsteht, auszudehnen, bewusst herbeizuführen. Mit seinem Geländewagen, 90 Flaschen Wasser und genug Lebensmitteln für zwei Monate, machte sich Schubert schließlich auf den Weg. Im Süden Marokkos, unweit der Stadt Zagora, Ausgangspunkt für Karawanen ins entfernte Timbuktu, suchte er sich abseits von zumindest gelegentlich befahrenen Pisten einen möglichst einsamen Platz im Schatten eines Akazienbaums und schlug sein Zelt auf. Allein mit sich, dem langsam wandernden Schatten des Baums und einer sich gelegentlich zeigenden Wüstenmaus verbringt Schubert nun seine Zeit und macht – nichts.

Sind die ersten Tage des selbstgewählten Exils noch vom Aufbau des Zeltes, des Einrichten in der fremden, kargen Umgebung bestimmt, setzt zunehmend die Ruhe ein. Anfangs noch durchbrochen von ständig stärker werdenden Sandstürmen, die die Sorge um das Zelt groß werden lassen, aber zunehmend nachlassen und einer Ruhe Platz machen, die Raum für mäandernde Gedankengänge macht. Beziehungsweise machen würde. Denn auch wenn Schubert immer wieder Szenen einstreut, die ihn selber zeigen, wie er in seinem Zelt oder im Sand sitzt, über seine Situation, die Aufgabe, die er sich selbst gestellt hat sinniert, zu den fruchtvollen, philosophischen Gedankengängen, zu denen die Wüste immer wieder Autoren und Filmemacher angeregt hat, kommt es hier nicht.

Schuberts Gedanken sind eher pragmatisch, kreisen um die Haltbarkeit des Zelts, um die Frage ob ein heraufziehendes Gewitter seinen Zeltplatz gefährdet oder ob er einen vorbeiziehenden Tuareg filmen soll oder nicht und vor allem wie lange er seinen Aufenthalt fortsetzen soll. Viel Abwechslung hält der Alltag in der Wüste nicht bereit, die tägliche Zubereitung des Essens verschlingt Zeit, gelegentlich Besuche der Tierwelt stellen schon besonders aufregende Momente dar.

Vor allem die Entschleunigung des Daseins scheint Schubert in seinen fünf Wochen abseits der Zivilisation gefunden zu haben. Keinerlei Druck, keine Hektik, keine wichtigen Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Doch Schubert ist nicht so naiv zu glauben, dass er, der diese Situation freiwillig herbeigeführt hat, der mit seinem Auto in kurzer Zeit wieder in der Zivilisation ist, das Leben in der Wüste, wie es die Tuaregs und andere Nomadenstämme immer noch in kaum veränderter Form führen, verstehen könnte. Dieser Pragmatismus macht „Allein die Wüste“ zwar bisweilen etwas zäh, trägt aber auch dazu bei, dass die Einsamkeit der Wüste nicht zum verklärten Kitsch verkommt. Zusammen mit den oft eindrucksvollen Aufnahmen der Wüste und ihrer oft nur mit aufmerksamen Blick zu entdeckenden Schönheit, gelingt Dietrich Schubert so ein interessanter, sehr persönlicher Film über eine ungewöhnliche Grenzerfahrung.

Michael Meyns

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