Am Ende eines viel zu kurzen Tages

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Eine Geschichte, die mitten ins Herz trifft und den Geist öffnet fürs Wesentliche: Donald ist 15, und er weiß, dass er bald sterben wird. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um noch kurz vor der Reise in die Ewigkeit die große Liebe zu finden – oder wenigstens den Sex zu entdecken.
Nach dem Roman „Superhero“ von Anthony McCarten entstand ein schwarzhumoriger und dennoch sensibler Film um Liebe, Tod und die Freude am Leben.

Webseite: www.filmweltverleih.de

Originaltitel: Death of a Superhero
Deutschland 2011
Regie: Ian Fitzgibbon
Drehbuch: Anthony McCarten (nach seinem Roman „Superhero“)
Darsteller: Andy Serkis, Thomas Brodie-Sangster, Michael McElhatton, Sharon Horgan, Aisling Loftus
96 Minuten
Verleih: nfp, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 12. Juli 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die Pubertät an sich ist für Jungs schon eine echte Herausforderung: Das Leben wird kompliziert, die Schule nervt, überall lauern hormonell bedingte Tücken, Mädchen wollen umworben, aber nicht unbedingt erobert werden, und das Familienleben ist eine einzige Katastrophe. Doch bei Donald kommt noch etwas ganz anderes erschwerend hinzu: Er wird sterben, und zwar bald. Unaufhaltsam, unumkehrbar, unabänderlich. In seinen Comiczeichnungen versucht Donald zu verarbeiten, was ihn beschäftigt. Dann ist er ein Superheld, den die Frauen lieben und der den Tod bekämpft. Im wahren Leben allerdings ist Donald vor allem verwirrt, verstockt und aggressiv. Seine liebevollen Eltern wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen. Entweder verteilt Donald zynische Sprüche oder er ergibt sich einer verzweifelten Sprachlosigkeit, er ist aggressiv und wütend. Immer wieder denkt Donald an Selbstmord, und er provoziert sein Schicksal durch waghalsige Aktionen.

Also muss wieder ein Psychologe ran. Dr. King soll versuchen, sich Donald möglichst feinfühlig zu nähern. Keine einfache Sache, denn Donald ist hochgradig misstrauisch. Psychologen zu terrorisieren betrachtet er als sportliche Herausforderung. Aber Dr. King ist anders, jedenfalls keiner von diesen aalglatten Typen, deren geheucheltes Mitleid Donald auf den ersten Blick entlarvt. Donald fasst Vertrauen zu Dr. King und lernt, mit ihm zu sprechen. Und dann kommt Shelly an die Schule – ein kesses Mädchen, in das sich Donald prompt verliebt. Shelly traut sich was. Sie ist rebellisch und voller Sehnsucht, genau wie er. Während seine Freunde sich überlegen, wie sie Donald mit einer Frau zusammenbringen, damit er wenigstens einmal in seinem kurzen Leben Sex hat, erfährt Donald zusammen mit Shelly das Kurzprogramm der ersten großen Liebe inklusive Schmetterlingen im Bauch. Und er bekommt eine Ahnung von dem, was wichtig ist im Leben: Liebe, Vertrauen und jeder einzelne kleine, glückliche Moment.

Auch wenn man inzwischen beinahe vom Filmkunstgenre der Sterbekomödie sprechen könnte – dieser Film bedient keinen Trend, sondern er steht ganz selbstbewusst für sich, als Entwicklungsdrama und als makabre Komödie. Die literarische Vorlage ist eher ein Jugendroman als ein Sterbedrama. Hier wird eine wirklich starke Geschichte authentisch auf die Leinwand gebracht, die genauso frech und rotzig, so sensibel und leidenschaftlich ist wie die jungen Protagonisten. Das Ergebnis ist literarisch und künstlerisch sehr präsentabel, mit einer Bildsprache, die das Auge erfreut und genau ins Herz zielt, ohne das Hirn auszuschalten, und mit einer Handlung, die zwischen knallhartem Realismus und herber Symbolik wechselt. Vor allem aber wird eine unvergleichliche Stimmung geschaffen, die erfüllt ist von Hoffnung.

Die Auseinandersetzung mit Donalds drohendem Tod findet anfangs vor allem über Animationssequenzen statt – und die sind witzig, brutal und zynisch, sie haben etwas sehr Ursprüngliches, beinahe pubertär Eckiges, als wären sie direkt dem Geist eines überforderten 15jährigen entsprungen. Da kämpft der jugendliche Superheld gegen den unbesiegbaren Bösewicht und dessen grausame Assistentin, eine sexy Domina in Krankenschwesternuniform. Doch im wahren Leben ist der Held kein Held, sondern ein Schuljunge voller Zweifel und Ängste. Dass Donald wieder Freude am Leben findet, verdankt er zum einen seiner Bekanntschaft mit der Liebe, aber auch den Gesprächen mit Dr. King, die ihn von seinen selbstzerstörerischen Gedanken abbringen. So bewegend wie komisch ist es dann auch, Donald einmal so richtig herzhaft lachen zu sehen und zu erleben, wie er plötzlich die Schönheit eines Moments oder das Glück des Augenblicks für sich entdeckt. So wird aus dem selbstzerstörerischen Jungen langsam und deshalb umso glaubwürdiger ein Teenie-Philosoph. Gefühle können intensiver empfunden werden, wenn man um ihre Vergänglichkeit weiß, und wenn das Leben kurz ist, dann muss eben alles ein bisschen schneller gehen …

Außergewöhnlich präsent spielt der junge Thomas Brodie-Sangster („Tatsächlich Liebe“) den zynisch zornigen Todeskandidaten Donald zwischen Angst und Coolness, zwischen Mutlosigkeit und Frechheit. Dem jungen Darsteller gelingt der Balanceakt, eine unreife Persönlichkeit im Angesicht des Todes erwachsen werden zu lassen, ohne dass dies gekünstelt, pathetisch oder gewollt erscheint. Ian Fitzgibbon schafft als Regisseur bewegende Kinomomente, die immer wieder mit makabren Späßen oder lakonischen Dialogen makaber gebrochen werden. Anthony McCarten selbst hat das Drehbuch nach seinem bildhaften, schon sehr filmischen Roman geschrieben. Andy Serkis glänzt in der Rolle des gelassenen, vernünftigen Dr. King, der von Donald ebenso treffend wie gemein „Dr. Tod“ genannt wird. Aisling Loftus ist als Shelly eine großartige Partnerin für Donald: jung, stolz, mutig, frech und dennoch spürt man die Sehnsucht nach Liebe und Nähe. So wie Donald ist sie erfüllt von einer unbändigen Leidenschaft.

Eine vollkommen unpathetische, witzige Jugendgeschichte, die hoffentlich auch ein jüngeres Publikum anspricht. Als sympathischer, bewegender Film mit literarischen Qualitäten und als rotzfreche Jugendgeschichte vor einem sehr ernsten Hintergrund.

Gaby Sikorski

Noch so viel zu leben und doch so wenig Zeit. Ein 15-jähriger Junge erhält die schreckliche Diagnose: Krebs. Mitten in der Pubertät wird er urplötzlich aus dem Leben gerissen. Da erschafft er sich mit Hilfe seines Zeichentalents eine Welt, in der er ein von den Frauen bewunderter Superheld ist. Basierend auf dem Roman „Superhero“ von Anthony McCarten erzählt die irisch-deutsche Co-Produktion eine berührende Coming-of-Age-Geschichte, die sich durch ihren originellen Rückgriff auf Comicmotive und Animationssequenzen von vergleichbaren Filmen abhebt. In den Hauptrollen sind Andy Serkis („Der Herr der Ringe“) und Thomas Brodie-Sangster („Tatsächlich...Liebe“) zu sehen.

Als Teenager in der Pubertät hat man es nicht leicht. Die Gefühle spielen verrückt und die Hormone fahren Achterbahn. Alles verändert sich und man selber weiß manchmal nicht so genau, wohin die Reise geht. Die erste Liebe, der erste Kuss, die Konflikte mit den Eltern, alles will erlebt und durchlitten werden. So geht es auch Donald (stark: Thomas Brodie-Sangster), doch im Gegensatz zu den anderen Jungs in seinem Alter, denen das Leben zu einem großen Teil noch bevorsteht, läuft ihm die Zeit davon. Denn Donald hat Krebs. Obwohl die Ärzte gegen den Feind in seinem Körper kämpfen, spürt er, dass er diesen Kampf am Ende verlieren wird. Donalds Rückzugsraum wird seine Fantasie, die er mittels seines zeichnerischen Talents in düsteren Superhelden-Comics lebendig werden lässt. Dort ist sein muskulöses Alter Ego ein nahezu unbesiegbarer Kämpfer für das Gute und die Gerechtigkeit. Er erscheint als furchtloser und unerschrockener Held, dem die Frauen zu Füßen liegen.

Letzteres kann Donald von sich weniger behaupten. Die meisten Mädchen fühlen sich von seiner Krebserkrankung vielmehr abgeschreckt. Nur Shelly (Aisling Loftus), Donalds neue Mitschülerin, ist da anders. Ihr ehrliches Interesse an ihm lässt den Teenager plötzlich seine Sorgen und Ängste vergessen. Er ist verliebt – zum ersten Mal. Neben Shelly wird für ihn noch eine andere Person zu einem Rettungsanker.

An dieser Stelle gelingt dem Film ein echter Besetzungscoup. Als Donalds Psychologen engagierten die Produzenten Andy Serkis. Für den Briten, der viel zu oft auf die Rolle des „Gollum“ in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Epos reduziert wird, bot sich die Gelegenheit, dieses Bild zu korrigieren und seine schauspielerischen Qualitäten ganz ohne CGI-Unterstützung zu demonstrieren. Sein Dr. King wird für Donald zu einem väterlichen Freund. Serkis spielt ihn zurückhaltend, mit viel Empathie und stets nah am Klischee des kumpelhaften Filmdoktors, der bei einem Glas Rotwein über seine Patienten nachdenkt.

Ohnehin setzt sich „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ aus vielen bekannten Elementen zusammen. Das Verhältnis zwischen Donald und Dr. King erinnert mitunter an Robin Williams’ und Matt Damons aufwühlende Auseinandersetzungen in „Good Will Hunting“, an der tragikomischen Betrachtung einer tödlichen Erkrankung versuchte sich erst zuletzt auch der US-Indie „50/50“. Hinzu kommt der Coming-of-Age-Aspekt, den sich der Film mit so vielen großartigen Beiträgen dieses Genres teilt. Trotz dieser Schnittmengen findet die Geschichte rasch zu einer durchaus überzeugenden Eigenständigkeit. Das Besondere sind in diesem Fall die mit der Handlung verwobenen Animationssequenzen – entwickelt von der deutschen Animationsschmiede „Trixter“, die schon für die „X-Men“ im Einsatz war –, in denen sich Donalds Seelenleben und Gedanken widerspiegeln. Hier werden abstrakte Begriffe wie Tod und Sexualität scheinbar mit Leichtigkeit in die Ästhetik eines Superhelden-Comics überführt. Als Zuschauer bewegen wir uns zusammen mit Donald fortlaufend zwischen diesen beiden Welten.

Inszeniert wurde „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ vom irischen Regisseur Ian FitzGibbon. Wie schon in seinem auf Festivals gefeierten „A Film with me in it“ beweist er sein besonderes Gespür für tragikomische Momente. Und er schlägt sich ohne Wenn und Aber auf die Seite seines Hauptdarstellers. Wenn Donald aus Verzweiflung, Wut oder Trauer etwas Unüberlegtes sagt oder tut, dann ist das nichts, was man ihm auch nur eine Sekunde lang vorhalten kann. Donald kämpft gegen den Tod, gegen den grausamen „Glove“ aus seiner eigenen Superhelden-Fantasie, obwohl er insgeheim weiß, dass sich das Leben nicht länger festhalten lässt. Der Film ist eine eindringliche Liebeserklärung an dieses so zerbrechliche Leben.

Marcus Wessel

Donald ist um die 15. Eigentlich ein Alter, in dem die Ahnung vom richtigen Leben beginnt, in dem viel Kraft zu Verfügung steht, in dem die Liebe sich meldet.

Bei Donald ist das allerdings anders. Er ist krank, todkrank. Die Therapien erhalten ihn am Leben. Sein Kopf ist kahl rasiert. Krebs.

Das macht ihn aufrührerisch. Seine Eltern wissen oft nicht mehr weiter. Sie schicken ihn zu dem Thanatologen Dr. King. Doch auch der kommt lange nicht an den Jungen heran.

Donald wird auf Shelly aufmerksam. Das selbstbewusste Mädchen wäre eine, die man lieben könnte.

Der Kranke muss oft mit sich ringen. Und mit dem Tod – der mit seiner Helferin in eindrucksvollen filmischen Comic-Passagen immer wieder in ihm herum spukt.

Donalds Freunde organisieren für ihn eine auf sehr menschlicher Ebene ablaufende Sex-Begegnung, damit er auch das wenigstens einmal in seinem „viel zu kurzen Tag“ erleben und genießen kann.

Dann ist die Zeit gekommen. Er ist seinen Eltern nah. Er hat mit Dr. King eindrucksvoll Freundschaft geschlossen. Er liebt Shelly – aber er muss sterben.

Ein trauriger, gefühlvoller, wunderbarer Film. Dass der Autor des zugrunde liegenden Jugendromans am Drehbuch mitarbeitete, sorgte dafür, dass alles – auch die Regie – so perfekt klappte.

Ein kurzes und dennoch erfülltes Leben. Der Kinozuschauer nimmt daran intensiven Anteil – und damit ist doch schon ein großer Teil des erwarteten Kinoerlebnisses erfüllt.

Alle Achtung, dass der Jungschauspieler Thomas Brodie-Sangster diesen Donald so darzustellen vermochte. Sehr gut auch Andy Serkis als Donalds Freund Dr. King.

Eine anrührende, Mitgefühl hervorrufende, durch seine Comic-Einlagen sogar „moderne“, überzeugend gelungene Jugendroman-Verfilmung.

Thomas Engel