An Impossible Project

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Der Zeitgeist strebt zum Digitalen. Zugleich erzeugt die omnipräsente Digitalisierung einen Gegentrend, der sich auf haptische Erfahrungen zurückbesinnt. Florian „Doc“ Kaps verkörpert die Sehnsucht nach dem Analogen wohl eindringlicher als die Mehrheit seiner Zeitgenossen. 2008 machte es sich der Österreicher zur Aufgabe, die letzte Polaroid-Fabrik der Welt vor der Abwicklung zu bewahren. Der Regisseur und Produzent Jens Meurer porträtiert den Verfechter des Analogen in einem optimistischen Film, der ganz standesgemäß auf nicht-digitale Aufnahmetechnik setzt.

Website: https://www.weltkino.de/filme/an-impossible-project-2

Dokumentarfilm
Deutschland, Österreich 2020
Regie: Jens Meurer
Buch: Jens Meurer, Franziska Kramer, Cosima Lange
Mitwirkende: Florian Kaps, Oskar Smolokowski, Haley Reinhart, David Bohnett, Chris Bonanos, Scott Boms, Anna Kaps, Ilona Cerowska
Laufzeit: 99 Min.
Verleih: Weltkino
Kinostart: 20.1.2022

FILMKRITIK:

2008 kam das erste iPhone auf den Markt und veränderte unseren Medienkonsum nachhaltig. Im selben Jahr stand die Schließung der weltweit letzten Polaroid-Fabrik im niederländischen Enschede an. Ein Endpunkt, den Florian „Doc“ Kaps als selbsternannter „Schutzpatron aller analogen Dinge“ nicht hinnehmen wollte. Stattdessen investierten der promovierte Biologe und einige Mitstreiter 180000 Euro in die Rettung der Fabrik. Das Gebäude und die Maschinen blieben erhalten, auch vormalige Angestellte holte Kaps zurück, um den Betrieb unter dem Namen „Impossible Project“ wieder anzukurbeln. Für unerwartetes Kopfzerbrechen sorgte dabei die Herstellung des klassischen Polaroid-Sofortbildfilms, da manche der benötigten Chemikalien nicht mehr produziert wurden. Die Entwicklung einer neuen Rezeptur dauerte Jahre, in denen Kaps Menschen aus Berlin, Wien oder New York für seine Idee gewann.

„Ja, Sie verbringen zu viele Stunden mit ihrem Smartphone“, stellt ein Disclaimer zum Auftakt klar, „Dieser Film handelt von einer Alternative.“ Die gezeigte Alternative zum digitalen Lifestyle weist nur indirekt auf eine allgemeingültige Ebene, sondern ist eine sehr spezifische Rückbesinnung auf die analoge Polaroid-Sofortbildfotografie. Als roter Faden des Dokumentarporträts dient ein Vortrag, den der stets in eine Polaroid-Jacke gehüllte Kaps zur wechselhaften Geschichte seines „unmöglichen Projekts“ hält. Der Tenor ermuntert das Publikum zur Umsetzung eigener Ideen, auch wenn diese unrealisierbar scheinen. Leidenschaft und ein gewisses Maß Hemdsärmeligkeit schaffen Ergebnisse, verspricht der Enthusiast Kaps. Letztlich ist „An Impossible Project“ auch ein Imagefilm zu seiner Erfolgsgeschichte, denn immerhin führte sein Engagement zur Entwicklung der neuen Sofortbildkamera I-1 und der Reunion mit dem Polaroid-Konzern.

Die Machart greift das Anliegen des Films auf. Gedreht wurde passenderweise auf analogem 35mm-Material, was nicht nur, aber ganz besonders im Dokumentarfilmsektor absoluten Seltenheitswert hat. Die technische Entscheidung verkomplizierte die Dreharbeiten, was die Unwägbarkeiten des vorgestellten Projekts im Produktionsprozess spiegelt. Auch der Score stammt nicht aus dem Computer, sondern wurde von einem Jazz-Orchester um die Sängerin Haley Reinhart eingespielt. Und natürlich ist auch das „Impossible Project“-Logo manuell hergestellt, ebenso der auf Buchdruckmaschinen gesetzte Abspann.

Ohne das Digitale grundsätzlich abzulehnen, feiern Florian Kaps und der Regisseur Jens Meurer das Analoge. Sehr deutlich wird das beispielsweise, wenn die Kamera die Hallen einer Acrylfabrik zu betont weihevoller Musik abfährt. Die zahlreich eingefügten Bilder von Polaroid-Fotos, analogen Kameras oder Röhrenbildschirmen bilden einen Gegenpol zu den wiederkehrenden Impressionen von Menschen, die im Straßenbild mit Smartphones und Laptops hantieren – und das in Fensterscheiben gespiegelte Real Life missen.

Christian Horn