Another Day of Life

Zum Vergrößern klicken

Der auf mehreren Festivals mit Preisen ausgezeichnete Film „Another Day of Life“ ist ein bewegendes und interessantes Stück Kino, das auf faszinierende Art und Weise ein Amalgam aus Dokumentation und Animation bietet. So wird die Geschichte von Ryszard Kapuściński erzählt, der in Angola als Reporter tätig war, sich aber in den Kampf um die Freiheit und Unabhängigkeit hineinziehen ließ. Weil er jenen eine Stimme geben wollte, die niemand hört.

Webseite: www.pandorafilm.de

Polen, Spanien, Deutschland, Belgien, Ungarn 2018
Regie: Raul de la Fuente, Damian Nenow
Darsteller: Miroslaw Haniszewski, Vergil J. Smith, Tomasz Zietek
Länge: 85 Minuten
Verleih: Pandora Film
Kinostart: 4. April 2019

FILMKRITIK:

Über fünf Jahre hinweg wurde der Film produziert. Die Basis bildet Ryszard Kapuściński Buch „Wieder ein Tag Leben“, in dem er von seinen drei Monaten in Angola berichtet, als die Ausrufung der Unabhängigkeit kurz bevor stand. Kapuściński war mittendrin, als die angolanische Hauptstadt Luanda immer mehr verkam. Er erlebte mit, wie die MPLA, die Popular Movement for the Liberation of Angola moralisch immer mehr abbaute. Wie Südafrika sich in den Konflikt einschaltete und wie Angola in einem Kalten Krieg der Amerikaner und der Sowjets immer mehr aufgerieben wurde.
 
Man hätte aus diesem Stoff auch einfach nur eine packende Dokumentation machen können, doch die Regisseure Raul de la Fuente und Damian Nenow wollten mehr. Sie wussten um die Kraft, die Animation entwickeln kann, weil sie an eine Emotionalität rüttelt, die bei einer nüchternen Betrachtungsweise der Geschehnisse nicht so direkt und nicht so wuchtig möglich gewesen wäre.
 
Man folgt Kapuścińskis Geschichte, seiner Reise in den gefährlichen Süden, seiner Begegnung mit Kämpfern in diesem Konflikt, und seinem Weg zurück nach Hause, als alles gut zu werden schien, aber es nicht wurde. Denn in Angola wurde nach der Unabhängigkeit noch 27 Jahre lang Krieg zwischen der MPLA und der FNLA und UNITA geführt. Der Film lässt nie einen Zweifel aufkommen, wo Kapuścińskis Sympathien liegen. Er steht ganz und gar auf Seiten der MPLA, verfälscht damit aber auch die Geschichte, die hier erzählt wird, was der Film in einem Rückblick zu einer Lehrstunde, als der Reporter vor Studenten steht, gerade diesbezüglich in Frage gestellt wird. Ist die bloße Anwesenheit nicht schon eine Verfälschung des Schicksals?
 
In einem der eindringlichsten Momente des Films, in dem die Farbe Rot plötzlich dominiert, findet Kapuściński zusammen mit seinem Kollegen Artur auf Dutzende Kilometer hinweg Zivilisten, die von der FNLA abgeschlachtet wurden. Dass in diesem blutigen Konflikt aber auch die MPLA vor Kriegsverbrechen nicht zurückschreckte, lässt der Film außen vor. Nur einmal deutet er Kapuścińskis Desillusionierung an, als er erklärt, dass die MPLA den Krieg vielleicht, die moralische Überlegenheit aber ganz sicher verloren hat.
 
Aber das ist ein zu kurzer Moment, der im Donner der Gewehrsalven und der exzellenten Soundeffekte untergeht. Das erste Opfer jedes Krieges ist die Wahrheit. Auch in Angola – und in diesem Film – verhält es sich nicht sehr viel anders, was einen leichten Beigeschmack mit sich bringt, die Wirkkraft von „Another Day of Life“ aber nur minimal schmälert.
 
Der Film wirkt wie eine lebendig gewordene Graphic Novel. Die Animation orientiert sich an Filmen wie „A Scanner Darkly“ oder „Waltz with Bashir“, in der Kombination mit den Interviews der noch lebenden Protagonisten, aber auch Bild- und Fotomaterial der Gefallenen, ergibt sich eine Direktheit, die der Empathie förderlich ist und mit einer gewissen Melancholie einhergeht, wenn klar wird, dass die Hoffnungen und Träume, die alle für ein freies Angola hatten, sich nie erfüllt haben.
 
Peter Osteried