Another German Tank Story

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Eine kleine Arthouse-Ikone und ein echter, allerdings nicht mehr ganz geheimer Geheimtipp: Die wunderbare Provinzkomödie des Kinodebütanten Jannis Alexander Kiefer bietet Witz, Intelligenz und gebündelten brandenburgischen Flair auf höchstem Niveau sowie viele entzückende Seitenhiebe, zum Beispiel auf die Filmbranche und auf den allgemeinen Zeitgeist. In der Hauptrolle glänzt Meike Droste als hochmotivierte Bürgermeisterin, die ihr märkisches Dörfchen über die Dreharbeiten zu einer Hollywood-Serie zu neuer Blüte führen will. Aber ob das klappt angesichts der ständig neu auftauchenden Probleme? Und davon ist der Weltkriegspanzer im Vorgarten nicht das größte!

Webseite: https://filmperlen.com/filme/another-german-tank-story/

Deutschland 2025
Regie: Jannis Alexander Kiefer
Drehbuch: Jannis Alexander Kiefer, Theresa Weininger
Mitwirkende: Meike Droste, Monika Lennartz, Johannes Scheidweiler, Gisa Flake, Roland Bonjour
Musik: Fabian Zeidler

Länge: 95 Minuten
Verleih: Filmperlen
Start: 10. April 2025

FILMKRITIK:

Das Kinodebüt von Jannis Alexander Kiefer erinnert ein wenig an den Charme der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, die Theodor Fontane vor beinahe 150 Jahren schrieb und in denen er Land und Leute ebenso kritisch wie humorvoll, auf jeden Fall aber mit sehr viel Zuneigung beschrieb. Kiefers Film spielt in Wiesenwalde, einem Dörfchen mitten in Brandenburg, das noch genauso verpennt und runtergekommen aussieht wie vor 150 Jahren, als Fontane hier möglicherweise vorbeikam. Allerdings machte der Komponist Georg Philipp Telemann einst hier Station. Eine Erkrankung war der Grund, und angeblich wurde er durch das Wiesenwalder Brunnenwasser geheilt. Der Dorfbrunnen erinnert mit einem gar nicht mal besonders schönen Telemann-Denkmal daran. Ansonsten hat Wiesenwalde außer der „Telemann“-Gaststätte und dem Dorfladen „Minimarkt Wolff“ wenig bis gar nichts zu bieten.

Momentan scheint es aber gerade ein bisschen aufwärts zu gehen, denn eine US-Filmproduktion hat das verschlafene Dörflein zum zentralen Drehort für eine Weltkriegsserie gewählt. Mit den Leuten vom Film ist die Hoffnung nach Wiesenwalde gekommen, zumindest für einige der Menschen, die hier noch leben. Die bis in die Haarspitzen engagierte Bürgermeisterin Susi (Meike Droste aus „Mord mit Aussicht“) ist absolut optimistisch, dass Wiesenwalde bald zum touristischen Hotspot wird, und sie tut alles dafür. Ebenso die geschäftstüchtige Gastwirtin Jenny (Gisa Flake), die – vermutlich zum ersten Mal seit der Eröffnung – alle Zimmer im „Telemann“ vermietet hat. Susis Sohn Tobi (Johannes Scheidweiler) hat sogar einen Job als Fahrer beim Film gefunden. Leider kann er Autos nicht leiden und lehnt es prinzipiell ab, schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Abgesehen davon hat es mit der Führerscheinprüfung auch nicht so richtig geklappt. Tobis bester Kumpel Wolffi (Alexander Klaus-Maria Schuster) hingegen hat eine Komparsenrolle ergattert und bereitet sich auf seine Hollywood-Karriere vor. Während die Dreharbeiten in vollem Gange sind, was das marode Stromnetz des Dörfchens immer wieder in Schwierigkeiten bringt, kommt ausgerechnet Susis Ex-Lover Bert (Roland Bonjour) zurück nach Wiesenwalde. Und dann wird auch noch ein Panzer in Susis Hof abgestellt, der eigentlich sofort vom Filmteam abgeholt werden soll. Eigentlich …

In allerschönster Komödientradition ist dieser Film gleichzeitig lieb, böse und witzig. Mit augenzwinkernder Bravour mischt Jannis Alexander Kiefer Situationskomik und Dialogwitz, packt noch ein bisschen Ironie dazu und erreicht damit ein ziemlich hohes brandenburgisches Humorniveau, das traditionell vor allem von lakonischen Sprüchen und einer liebenswert lässigen Charme-Verweigerung geprägt ist. Also durchaus in der Fontane-Tradition – wobei ihn neben dem ollen Preußen vor allem Wes Anderson auch die Coen-Brüder beeinflusst haben dürften. Davon zeugen einige hübsche Tableaus und die häufig starre Kamera sowie der gleichzeitig humorvolle und kritische Blick aufs Provinzleben, der beispielsweise an „Fargo“ erinnert. Hinzu kommt aber Kiefers sehr eigener, eigenwilliger Stil. Er verzichtet auf eine klassische Dramaturgie in Gestalt einer stringenten Handlung von A nach B mit typischen Höhe- und Wendepunkten. Stattdessen bietet er vignettenhafte Persönlichkeiten und setzt auf ein eher schleppendes Tempo. Tatsächlich verlangsamt er den Film bis an die Grenze des Erträglichen und macht ihn dadurch noch komischer. Dazu die originellen bis schrulligen Charaktere … Das hat etwas Zeitloses, trifft aber hier durchaus auch den Zeitgeist. Wiesenwalde wird zum Beispiel einer abgehängten Provinzgesellschaft, in der alte Leute ihren eigenen Tod planen und vorher noch mit der Vergangenheit (NS und DDR) aufräumen wollen, und in der Kinder und Jugendliche wie Fremdkörper wirken. Ganz Wiesenwalde, Jung und Alt, ist sich aber einig, wenn es um die typischen Eigenschaften der märkischen Bevölkerung geht: Originalität und knorrige Starrköpfigkeit.

Meike Droste als Susi verkörpert sehr komisch und mit exzellentem Timing eine glühende Optimistin, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, nicht einmal durch einen alten Panzer, der irgendwie nicht am Set, sondern in ihrem Vorgarten gelandet ist und angeblich gleich abgeholt wird. Ganz egal, was passiert, Susi glaubt an Wiesenwaldes Aufstieg, und davon lässt sie sich durch nichts und niemanden abbringen. Mit Mutterns frisch gebackenem Kuchen sitzt sie immer pünktlich zur Bürgersprechstunde im Büro und bleibt allein, aber positiv bis in die letzte Faser. Doch damit reißt sie auch zumindest teilweise die anderen mit, manchmal sogar ihren Sohn, den Johannes Scheidweiler mit schluffiger Teddybären-Attitude als Landei ohne Perspektive spielt. Das sorgt für viel Konfliktpotenzial im Verhältnis zu Mutter Susi. Doch darum geht es nicht, hier geht’s generell nicht um Konflikte, Probleme oder Lösungen und eigentlich sowieso um nichts Bestimmtes, aber gleichzeitig geht es um so viel, und vor allem darum, sich irgendwie durchzuschlagen – im Leben und in diesem kleinen Kaff Wiesenwalde, das man ebenso wie seine Bevölkerung immer mehr liebgewinnt, je länger der Film dauert. Und das gilt sogar für den naiven Wolffi, dem seine Komparsen-Wehrmachtsuniform so gut gefällt, dass er sie nicht mehr ablegen will, oder für den schmierigen angeblichen Star-Journalisten Bert, der eigentlich nur ein armes Würstchen ist.

Über dem gesamten Film liegt eine herrlich trübetümplige Atmosphäre, die allein schon hammerhart komisch ist – sowohl durch die vignettenhafte Gestaltung der Figuren in ihrer lakonischen Einsilbigkeit, aber auch durch die Gegensätze: hier das total verpennte Dörflein und dort der laute Geschützdonner vom unsichtbaren Drehort. Dazu spielt der Film im Herbst, was der Komödie neben einem stark erhöhten Melancholie-Level auch eine ordentliche Portion Tristesse gibt, unterstützt durch eine Farbgestaltung in matt müden Tönen. Der Soundtrack ist natürlich von Telemann – hier passt alles zusammen, und der Film ist mit all den wunderbaren Schrecklichkeiten ausgestattet, die ein brandenburgisches Dorf zu bieten hat, einschließlich vieler DDR-Relikte. Vor allem aber präsentiert sich das erfundene Dörfchen Wiesenwalde als Heimat von ziemlich schrulligen und gleichzeitig ziemlich normalen Menschen.

Mit dem gleichen Augenzwinkern macht sich Kiefer hier über die Filmbranche lustig. Besonders gemein – und deshalb besonders schön – ist es, dass hier die Dreharbeiten von hinten, aus der Kulisse beobachtet werden. Der angebliche Filmstar, den Bert für ein Tratschblatt interviewen will, um seine Karriere wieder anzuschieben, entpuppt sich als Lichtdouble. Denn die echten, hochbezahlten Filmgrößen wohnen natürlich nicht in Wiesenwalde. Nur gelegentlich fährt ein Konvoi mit schwarzen Vans durchs Bild. Da sitzen sie dann drin, die Promis. Unerreichbar und unfassbar wie die Sterne am Himmel. Oder wie das richtige Leben da draußen.

 

Gaby Sikorski