Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit

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Wie funktionieren Wahlen? Das könnte die Ausgangsfrage für die Dokumentation „Arena 196 – zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit“ gewesen sein, für die das Regie-Duo Yvonne und Wolfgang Andrä sich vor der Bundestagswahl 2021 im südlichen Thüringen umgesehen hat. Etliche Kandidaten ließen sich beobachten, bei Wahlkampfauftritten und Podiumsdiskussionen, mit interessanten Einblicken in Wahlkampf und dem aktuellen politischen Diskurs.

Webseite: https://barnsteiner-film.de/arena196/

Dokumentarfilm
Deutschland 2023
Regie: Yvonne und Wolfgang Andrä

Länge: 106 Minuten
Verleih: barnsteiner-film
Kinostart: 26. Oktober 2023

FILMKRITIK:

Im südlichen Thüringen liegt der Wahlkreis 196, der aus der kreisfreien Stadt Suhl und den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg besteht. Sonneberg? Genau, da war doch was. Seit einigen Monaten regiert dort ein Landrat von der AFD, der erste Vertreter seiner Partei, der ein gewähltes Amt bekleidet. Doch schon einige Zeit vorher sorgte der Wahlkreis für ungewohnte überregionale Aufmerksamkeit, nicht durch die AFD, zumindest nicht direkt.

Es war de Kandidat, den die CDU zur Bundestagswahl 2021 aufgestellt hatte, der für Irritation sorgte: Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes, der in den letzten Jahren mit – vorsichtig ausgedrückt – fragwürdigen Aussagen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Dass die CDU den aus Mönchengladbach stammenden Maaßen nun ausgerechnet in einer Region als Kandidat nominierte, in der die Zustimmung für rechtspopulistische Politik besonders groß ist, konnte man als Zufall betrachtet oder auch als bewusstes Angebot an eine Region, in der die AFD schon bei den vorherigen Wahlen ein beachtliches Ergebnis erreicht hatte.

So oder so brachte die Nominierung Maaßens als Direktkandidat der CDU die Filmemacher Yvonne und Wolfgang Andrä auf die Idee zu ihrem Dokumentarfilm „Arena 196 – zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit“, der fünf Kandidaten und eine Kandidatin beim Wahlkampf  begleitet. Der Kandidat der AFD hatte eine Beteiligung am Filmprojekt abgelehnt, die anderen Kandidaten der größeren Parteien waren bereit. Neben Maaßen sind dies Sandro Witt von den Linken,  Stephanie Erben von den Grünen, Gerald Ullrich von der FDP

Stefan Schellenberg von der ÖDP (Ökologisch Demokratische Partei) und der Kandidat der SPD, Frank Ullrich, den Älteren als erfolgreicher Biathlet, vielfacher Weltmeister und Olympiasieger bekannt.

Dass am Ende Frank Ullrich in den Bundestag einzog, war wohl auch dem Einsatz dem Einsatz der bundesweit agierenden Bürgerinitiative Campact geschuldet, die mit Spenden und persönlichen Einsatz ihnen genehme Kandidaten unterstützt – oder wie im Wahlkreis 196 aktiv gegen einen Kandidaten, in diesem Fall Maaßen, agiert. Eine Einflussnahme, die zwar legal ist, im politischen System der Bundesrepublik allerdings ungewöhnlich erscheint und eher an die Beteiligung von Stiftungen und Organisationen im amerikanischen Wahlkampf denken lässt.  Welche Folgen es zum Beispiel auf den politischen Diskurs hat, wenn wie in diesem Fall die Kandidaten der Linken und Grünen explizit aufgefordert, um nicht zu sagen gedrängt werden, sich zurückzuziehen, ist eine der spannenden Fragen, die in „Arena 196“ aufgeworfen werden. Gerade der Kandidat der Linken, der sich nicht „freiwillig“ zurückzog musste Online offenbar einiges an Beleidigungen und Beschimpfungen ertragen, was die Einflussnahme einer Organisation wie Campact durchaus problematisch erscheinen lässt. Was für den Kandidat ein Ärgernis war, mutet für einen Film wie „Arena 196“ allerdings wie ein Glücksfall an, wird so doch eine zusätzliche Facette des Wahlkampfes deutlich, der diesen Einblick in die demokratischen Strukturen der Bundesrepublik umso sehenswerter macht.

 

Michael Meyns