Arthur & Claire

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Selbstmord als Sujet für eine Tragikomödie? Kein Problem, wenn die Vorlage stimmt und Hauptdarsteller und Star-Kabarettist  Josef  Hader ebenso wie Regisseur Miguel Alexandre mit einem Gespür für trockenen Humor, leicht makabren Pointen und menschlicher Wärme gesegnet sind. Und so trifft Angst vor dem Tod auf Angst vor dem Leben. Die wunderbare Begegnung zweier Lebensmüder erzählt mit schwarzem Humor, wie sich Tragik in Hoffnung verwandelt. Der 50jährige Arthur und Claire, Anfang 30, werden unerwartet zur Schicksalsgemeinschaft, als sie gemeinsam in der pulsierenden Nacht Amsterdams den Wert des Lebens neu erfahren. Eine perfekte schwarzhumorige wie warmherzige Komödie!

Webseite: www.arthur-und-claire.de

Österreich, Deutschland, Niederlande
Regie: Miguel Alexandre
Drehbuch: Josef  Hader, Miguel Alexandre
Darsteller: Hannah Hoekstra, Josef Hader, Rainer Bock, Errol Trotman-Harewood, Stella McCusker, Florence Kasumba.  
Länge: 100 Minuten
Verleih: Universum
Kinostart: 8.3.2018

FILMKRITIK:

„Weißwein macht keine Flecken, nur Rotwein“, erklärt der kleine blonde Dreikäsehoch keck dem Fluggast auf dem Vordersitz, dem er gerade das Glas über die Hose gekippt hat. „Weißt du was ein Luftloch ist“, fragt dieser nur ganz trocken. Als der Junge den Kopf schüttelt, kommt´s knüppeldick. „Das ist, wenn ein Flugzeug plötzlich 100 Meter hinunterfällt und du knallst mit derselben Geschwindigkeit mit deinem Kopf oben an die Deck´n. Weißt du was dann is? Dann klebt dein Hirn da oben und tropft langsam herunter und das sind dann Flecken, die gehen ganz schwer wieder raus.“
 
Schon drehen sich die anderen Flugreisenden entsetzt zu den beiden um. Doch Arthur (Josef Hader) hat erreicht was er wollte: Seine Ruhe. Auf dem Weg zu seiner Sterbeklinik nach Amsterdam will der Krebskranke möglichst wenig Kontakt. Friedlich und in Würde möchte er sich selbstbestimmt verabschieden. Er will nicht länger darauf warten, dass der Tumor in seiner Lunge das qualvoll erledigt. Aber das Leben lässt sich nicht aussperren.  Selbst an seinem letzten Abend im edlen Hotel an der Kaisergracht stört laute Rockmusik sein stilvolles und einsames Dinner.
 
Aufgebracht stürmt er ins Nachbarzimmer.  Und trifft dort auf die junge Claire (Hannah Hoekstra). Die 30jährige will sich gerade mit Schlaftabletten vergiften. In letzter Minute entreißt er ihr das Glas und kippt den Inhalt in die Toilette. „Wer so laute Musik aufdreht, der will sich nicht wirklich umbringen“,  behauptet er. Und die zunächst verdutzte Holländerin meint nur sarkastisch: „Macht ihr Deutschen das immer noch so, einfach irgendwo rein stürmen“.
 
Trotzdem erwachen Arthurs Lebensgeister. Ihre Auseinandersetzung über den Sinn eines Lebens, das nicht gerade vom Glück überstrahlt zu sein scheint, mündet in dem Kompromiss, den letzten Abend gemeinsam zu verbringen. Zusammen bricht die Schicksalsgemeinschaft  in die pulsierende Amsterdamer Nacht auf. Zwischen Grachten, Coffee Shops und bestem Whiskey entwickelt sich vorsichtig eine neue Freundschaft. Eine Nacht beginnt, die für beide außergewöhnliche Erfahrungen bereithält.
 
Dem deutsch-portugiesischen Regisseur Miguel Alexander gelingt eine wunderbare Balance zwischen trockenem Humor und berührender Einsicht in die menschliche Unvollkommenheit mit tragikomischer Nähe zu seinen Hauptfiguren. Zwischen Schwächen und aufgedeckten Lebenslügen entsteht eine kluge Liebeserklärung an das Leben selbst ohne Wirklichkeitsflucht. Als Drehbuchautor ist Hauptdarsteller Josef Hader auch mitverantwortlich für die einzigartigen Dialoge. Erneut überzeugt der Star-Kabarettist, wie bereits in dem preisgekröntem historischem Flüchtlingsfilm  „Vor der Morgenröte“, auf der Leinwand.
 
In der Rolle des liebenswerten, verstörenden Eigenbrötlers haftet seiner Figur, schwankend zwischen schwermütig und bissig, etwas von dem grantelnden Charme als Kult-Kieberer Brenner der legendären Krimireihe an. Zwischen ihm und der niederländischen Newcomerin Hannah Hoekstra stimmt die Chemie. Schlagfertig mit holländischem Witz bietet sie ihm kratzig Paroli. Nicht umsonst war die knapp 30jährige im vergangenen Jahr Shootingstar der Berlinale. Bereits in Sacha Polaks Debütdrama und Frauenportrait „Hemel“ lieferte sie ein starkes Zeugnis ambivalenter Gefühle.
 
Luitgard Koch