Auf der Suche nach Fritz Kann

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Wie beschreibt man etwas, für das es kaum Spuren gibt? Wie zeigt man eine Suche, die ohne Ergebnis verläuft? Vor diesen filmischen Fragen stand der Regisseur Marcel Kolvenbach und versucht mit seinem Dokumentarfilm „Auf der Suche nach Fritz Kann“ Antworten zu geben. Die Suche nach seinem möglichen Großvater, der von den Nazis deportiert wurde, bleibt im Ungefähren und schafft es nur bedingt, Universelles im Persönlichen zu finden.

Auf der Suche nach Fritz Kann
Deutschland 2021
Regie & Buch: Marcel Kolvenbach
Dokumentarfilm

Länge: 100 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 12. Januar 2023

FILMKRITIK:

Der erste Mann seiner Großmutter war Fritz Kann, soviel weiß Marcel Kolvenbach. Eine Leerstelle in seiner Familiengeschichte ist dieser Fritz Kann, eine Unterschrift, die er vor Jahren unter einem Dokument fand war Anlass und Ausgangspunkt für eine Spurensuche, die den Dokumentarfilmregisseur in die Vergangenheit seiner Familie führte, auf der Suche nach konkreten Antworten auf unbestimmte Fragen.

Ein Datum machte Kolvenbach stutzig: Fritz Kann wurde ziemlich genau neun Monate vor der Geburt seines Vaters deportiert, was die Möglichkeit in den Raum stellte, dass Kolvenbach der Enkel von Fritz Kann sein könnte. So konkret wie in diesem Moment wird die Suche nach Antworten nie wieder, doch auch diese Spur verläuft letztlich im Sande, verrinnt wie der Sand in der Hand.

Es ist „Auf der Suche nach Fritz Kann“ anzumerken, wie Marcel Kolvenbach versucht, aus der Not, der Ermangelung an Konkretem, einem bewusst vagen, nachdenklichen Film zu machen, der weniger Dokumentarfilm, als Essayfilm ist, weniger zeigt, als mäandert. Bilder einer israelischen Tanzcompagnie sieht man da etwa, die sich in einem mit Sand gefüllten Raum bewegen, ihre Münder zu stummen Schreien öffnen, Nahaufnahmen auf Hände, durch die Sand rinnt, allzu sprechende, plakative Bilder, die viel zu deutlich sagen, was angesichts der Thematik ohnehin mitschwingt.

Schließlich ist gerade die Suche nach Deportierten, nach den Opfern des Holocausts, ein filmisches Genre für sich, hat es in den letzten Jahren zahlreiche Filme gegeben, in denen Nachfahren sich auf die Suche ihrer Vorfahren begeben haben, auf die Suche nach Hinweisen, Aktennotizen, vielleicht sogar einem Grab. Ähnliche Momente, ähnliche Bilder ziehen sich auch durch „Auf der Suche nach Fritz Kann“: Lange Regalreihen, in denen Meterweise Akten stehen, digitalisierte Listen, oft kaum zu entziffern, vergilbte schwarz-weiß Fotos, auf deren Rückseite handschriftliche Notizen vielleicht einen Hinweis geben.

Unbestimmt bleibt die Suche nach Fritz Kann, in Argentinien findet Marcel Kolvenbach Verwandte, doch Konkretes kann er nicht erzählen. So konzentriert sich sein Film zunehmend auf andere Suchende, die er in Archiven, Gedenkstätten oder Konzentrationslagern trifft. Wege überschneiden sich, vor allem aber auch Schicksale. Ähnliche Geschichten gibt es zu erzählen, auch ähnliche Gründe, sich auf die Spurensuche zu machen.

In seinen gelungen Momenten funktioniert „Auf der Suche nach Fritz Kann“ so als Reflexion über die Frage, warum sich immer mehr Menschen auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte machen, welche Antworten sie in der Vergangenheit zu finden hoffen.

 

Michael Meyns