Ausgerechnet Sibirien

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Der neue Film von Ralf Huettner nach seinem Überraschungserfolg und Filmpreis-Gewinner "Vincent will meer". Ausgerechnet im fernen, exotischen Sibirien findet der emotional verkümmerte Buchhalter Matthias Beuel (Joachim Król) zu neuem Elan. Und auch Ralf Huettners erster Film seit seinem großem Erfolg findet nach einigem Vorlauf in den eindrucksvollen Weiten der sibirischen Tundra zu sich selbst und entwickelt sich zu einer gelungenen, erfreulich unsentimentalen Komödie.

Webseite: www.ausgerechnetsibirien.de

Deutschland 2011
Regie: Ralf Huettner
Buch: Michael Ebmeyer, Minu Barati, nach dem Roman „Der Neuling“ von Michael Ebmeyer
Darsteller: Joachim Król, Vladimir Burlakov, Yulya Men, Katja Riemann, Armin Rohde, Michael Degen
Länge: 100 Minuten
Verleih: Majestic, Vertrieb: Fox
Kinostart: 10. Mai 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es macht Sinn, dass sich die Produzenten von „Ausgerechnet Sibirien“ an Ralf Huettner gewandt haben. Denn auch dessen Erfolgsfilm „Vincent will Meer“ bediente sich der Form des Road Movies und ließ Figuren auf einer Reise in eine fremde Umgebung Dinge erkennen, die ihnen in ihrer heimischen Umgebung verborgen blieben. So ergeht es hier dem biederen Buchhalter Matthias Beuel, der bei einem Modeversandhandel in Leverkusen arbeitet, am Rhein joggt, in einem langweiligen Einfamilienhaus wohnt und gerade von seiner Ehefrau verlassen wurde. Durchschnittlicher geht es also kaum, und kaum einen deutschen Schauspieler könnte man sich für die Verkörperung dieses Durchschnitts und den letztendlichen Ausbruch aus den Fesseln der Langeweile besser vorstellen als Joachim Król. Einmal mehr schafft es der Schauspieler, seine Figur gleichermaßen unwirsch über die neuen Eindrucke wirken zu lassen, aber dann doch offen genug zu sein, um auf glaubwürdige Weise eine radikale Änderung des Lebens darzustellen.

Bevor es jedoch dazu kommt, muss Beuel erst aus dem langweiligen Leverkusen ins äußerlich auch nicht gerade attraktive Kemerovo reisen. Aus nicht ganz nachvollziehbaren, aber auch nicht wirklich wichtigen Gründen landet Beuel im tiefen Sibirien, deutlich näher an der Mongolei als an Europa gelegen, und trifft dort zunächst auf Figuren und Situationen, die ziemlich genau der deutschen Klischeevorstellung von Russland entsprechen: Die Menschen sind enorm lebensfroh, trinken bei jeder Gelegenheit Wodka, tanzen auch ohne Anlass auf den Tischen, die Männer sind harte Burschen, während die Frauen entweder drall und vollbusig oder unfassbar attraktiv sind. Dementsprechend drastisch ist der Clash der Kulturen, den Beuel bei seinen Versuchen durchlebt, für deutsche Ordnung zu sorgen. Zumal die Drehbuchautoren in dieser Phase vor kaum einem Stereotyp zurückgeschreckt haben, weniger Figuren als Typen zeigen und auch vor wenig geschmackvollen Nazi-Witzen nicht zurückschrecken.

Allein der junge Übersetzer Artjom (Vladimir Burlakov), der Beuel begleitet und durch vorsichtige Übersetzungen vor sich selbst schützt, entwickelt sich zu einer vielschichtigen Figur, einem russischen Doppel Beuels, der ebenso nach sich selbst sucht wie dieser. Nach gut der Hälfte des Films lernt Beuel schließlich die Sängerin Sayana (Yulya Men) kennen, die sein Leben verändern wird und auch den Film rettet. Sayana ist Mitglied des Volks der Schoren, eine kleine indigene Gruppe, deren schamanische Riten Beuel verzaubern. Zusammen mit Artjom macht sich Beuel auf die Suche nach Sayanas Heimat und muss feststellen, dass es schwieriger als erwartet ist, sein Leben zu ändern.

Was in der sibirischen Stadt zu einer albernen Klamotte zu werden drohte, wird in der sibirischen Landschaft doch noch zu einem durchaus feinsinnigen Film. Zumal der Versuch Beuels, sich in der ungewohnten Umgebung zu bewegen, nicht als unproblematisch geschildert wird: Seine Begeisterung für die ihm fremd und mysteriös erscheinende Kultur der Schoren wird nicht einfach gezeigt, sondern auch in ihrer Oberflächlichkeit geschildert. Gerade im Zusammenspiel mit dem jungen Vladimir Burlakov kommt hier Króls facettenreiches Spiel besonders zur Geltung und lässt „Ausgerechnet Sibirien“ doch noch zu einer gelungenen Komödie über das Leben verändernde Entdeckungen werden.

Michael Meyns

Matthias Bleuel ist in Leverkusen Logistiker für eine Textilfirma. Die Scheidung von seiner Frau Ilka ist durch, sie hat einen Neuen. Bleuel ist akkurat, pedantisch, arbeitsam, ordentlich. Er erhält den Auftrag, in der sibirischen Stadt Kemerova bei einer guten Kundin ein neues Computer-Vertriebsprogramm zu installieren und überhaupt nach dem Rechten zu sehen.

Die dortigen Russen scheinen es jedoch mit der Arbeitsamkeit und der Genauigkeit nicht so zu haben. Da muss auch noch Platz sein für Wodka, ein bisschen Korruption, für feiern und tanzen. Bleuel bekommt eine ganze Ladung davon mit.

Schon mit dem Visum und dem Flug klappte es nicht. Zudem möchte eine russische Schöne 17 000 Euro und dass Bleuel sie mit in den Westen nimmt. „Sibirische“ Zwischenfälle gibt es noch und noch. Die Straßen und Transportprobleme sind katastrophal. Und eine Eifersuchtsszene kommt noch gratis dazu.

Nur einen Lichtblick gibt es, aber einen bedeutenden. Bleuel trifft auf die schorische Sängerin Sajana die mit Kehlkopfgesang glänzt. Der Gesang ist ebenso fremdartig wie betörend. Da Bleuel es aber sowieso mit den Geistern, den Schamanen und dem Esoterisch-Überirdischen hat, kommt die Begegnung mit der Tochter einer Schamanin gerade recht.

Später zögert er zuerst, dann reist er ihr Hunderte von Kilometern nach. Sie werden sich lieben und zusammenbleiben. Adieu Leverkusen, adieu Ilka, adieu Logistik. Ein neues Leben muss her.

Mag die Haupthandlung nicht allzu ungewöhnlich sein, einzelne Einfälle sind ganz originell. Sibirien als Land und Landschaft ist höchst eindrucksvoll, die Schauplätze sind es entsprechend. Davon profitieren auch Inszenierung und Kamera. Dass Bleuel in diese anmutige Sängerin verknallt ist, glaubt man nur zu gerne.

Joachim Krol ist Beuel. Er spielt lebensnah, routiniert, gut wie meistens.

Deutsch-russischer Abenteuer- und Liebesfilm aus Sibirien.

Thomas Engel