Mitglied des „Klub 27“ zu werden, darauf hätte Amy Winehouse sicherlich gerne verzichtet, doch dass sie sich zu den Musikern von Janis Joplin bis Jim Morrison gesellte, die im Alter von 27 verstarben, hat kaum jemanden überrascht. Das kurze, tragische Leben der Sängerin schildert Sam Taylor-Johnson in „Back to Black“, ein solider biographischer Film, der ein wenig daran krankt, dass seine Hauptfigur ein extrem öffentliches Leben führte und somit eigentlich alles schon bekannt und gesagt ist.
GB/ USA/ F 2024
Regie: Sam Taylor-Johnson
Buch: Matt Greenhalgh
Darsteller: Marisa Abela, Eddie Marsan, Jack O’Connell, Lesley Manville, Juliet Cowan, Bronson Webb
Länge: 122 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 11. April 2024
FILMKRITIK:
Im Juli 2011 starb Amy Winehouse an einer Alkoholvergiftung, mehr als vier Promille soll sie im Blut gehabt haben. Neun Jahre zuvor war sie noch eine unbekannte junge Frau, die im Londoner Stadtteil Camden aufwuchs, bei ihrem Vater Mitch (Eddie Marsan), denn die Eltern sind getrennt. Ein besonders gutes Verhältnis hat Amy (Marisa Abela) zu ihrer Großmutter Cynthia (Lesley Manville), die sie bald zu ihrer persönlichen Stilikone kürt.
Als in der falschen Ära lebend bezeichnet sich Amy, die von Musik und Mode der 50er Jahre begeistert und beeinflusst ist, auch dem Jazz sehr zugetan, allerdings auch den dunklen Seiten, den Drogen. Von Anfang an bestimmen sie den Alltag der aufstrebenden Sängerin, lassen sie unpünktlich und erratisch werden. Anfangs die Volksdroge Alkohol, später Gras, bald auch harte Drogen: Kokain, Heroin, Crack.
An diese scheint sie ihre große Liebe Blake Lively-Fielder (Jack O’Connell) herangeführt zu haben, der in den zahlreichen Dokumentarfilmen, die seit Amy Winehouse Tod erschienen sind, oft als Bösewicht dargestellt wurde. Andere sehen die Schuld für den unaufhaltsamen Abstieg der Sängerin in ihrem Vater Mitch, der vom Erfolg seiner Tochter profitierte und sie angeblich zu immer weiteren Tourneen drängte, als sie längst körperlich abbaute.
Für einen biographischen Film, der von Erfolg, Exzess und dem absehbaren frühen Tod seiner Hauptfigur erzählt, stellt sich somit die Frage, ob ein Ereignis oder eine Person als Hauptursache für den Abstieg verantwortlich gemacht wird. Diesem Muster folgten etwa die biographischen Filme über Sänger wie Johnny Cash oder Ray Charles, in denen es punktuelle Traumata waren, die für die Süchte verantwortlich gemacht wurden. Waren diese Traumata erkannt, war auch die Sucht überwunden, auch wenn die Realität natürlich deutlich komplexer aussah.
In „Back to Black“ versucht Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die ein Drehbuch von Matt Greenhalgh verfilmt, dagegen einen anderen Weg zu gehen. Sie konzentriert sich ganz darauf, ein intimes, sensibles Porträt ihrer Hauptfigur zu zeichnen, das von vielen persönlichen Enttäuschungen geprägt war, vom Verlangen, ihre Emotionen in ihre Musik fließen zu lassen, vor allem aber von einem Übermaß an Gefühlen, die Winehouse oft in ihre Kunst zu kanalisieren wusste, die aber ebenso oft zu extremem Verhalten führte.
Dass all das unter den Augen der britischen Boulevardpresse ablief, für die die oft in aller Öffentlichkeit stattfindenden Drogenexzesse, die physischen Auseinandersetzungen mit ihrem kurzzeitigen Ehemann Blake Lively-Fielding natürlich ein gefundenes Fressen waren, machte das Leben für Amy Winehouse nicht einfacher. Dennoch will sich in „Back to Black“ wirkliche Tragik nur selten einstellen, zu bekannt sind die gezeigten Stationen des Verfalls, nicht nur aus Amy Winehouse Leben, sondern auch aus anderen Rockstar-Biographien und fiktiven Geschichten.
Im Bemühen, Leben und Sterben von Amy Winehouse gerade nicht zu dramatisieren oder zu skandalisieren hat Sam Taylor-Johnson einen Film gedreht, der seine Protagonisten als sehr durchschnittliche Person zeigt, die vor allem eine große Gabe hatte: Ihre Stimme.
Michael Meyns