Back To The Fatherland

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Die eine Regisseurin Enkelin eines Holocaust-Überlebenden, die andere Enkelin eines Nazi Offiziers. Aus dieser Spannung entstand die sehenswerte Dokumentation „Back to the Fatherland“, die sich mit der dritten Generation beschäftigt, die lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Holocaust geboren wurde und dennoch mehr von der Vergangenheit geprägt ist, als ihr oft lieb ist.

Webseite: www.fugu-films.de

Dokumentation
Österreich, Israel 2017
Regie: Kat Rohrer & Gil Levanon
Länge: 75 Minuten
Verleih: fugu Filmverleih
Kinostart: 8. November 2018

FILMKRITIK:

Bei all den Berichten und Kommentaren über Zuwanderung nach Deutschland wird ein Phänomen oft nur am Rande thematisiert: Immer mehr junge Israelis ziehen nach Deutschland, besonders nach Berlin, und nehmen damit einen Weg, der für ihre Eltern noch kaum vorstellbar und für ihre Großeltern absolut undenkbar war.
 
„Auf keinen Fall wirst du das tun!“ ruft da etwa der Großvater von Co-Regisseurin Gill Levanon, als ihm seine Enkelin mitteilt, dass sie demnächst nach Deutschland ziehen wird. Ist für den Großvater der Gedanke an Deutschland noch untrennbar mit den Erinnerungen an den Holocaust verbunden, ist für junge Israelis der Gedanke an Deutschland und gerade Berlin eher mit Freiheit und Hedonismus verbunden und ermöglicht die Flucht vor der zunehmenden Radikalität der israelischen Gesellschaft und der fortwährenden Bedrohung durch den Palästina-Konflikt.
 
Doch nicht nur nach Deutschland zieht es junge Israelis wie Gil oder den Bildhauer Dan, der seit Jahren in Berlin lebt, sondern auch nach Österreich. Dort lebt Guy zusammen mit seiner österreichischen Freundin, fragt sich allerdings bisweilen, ob der zunehmende Rechtsruck Europas die Situation für Juden bald wieder untragbar machen wird. Ebenso wie Dans Großmutter stammt auch Guys Großvater aus Wien, doch ihre Heimat haben die beiden älteren Personen seit langen nicht besucht. Die Dreharbeiten führen sie nun zurück in ihr Vaterland, in eine Welt, in die gerade Guys Großvater besser zu passen scheint als sein Enkel. Der begreift während des Besuchs erst richtig, welch Verlust es für seinen Großvater bedeutete, aus der Heimat vertrieben zu werden und sich in einem fernen Land ein neues Leben aufbauen zu müssen.
 
Noch ergiebiger als die Beobachtungen der älteren Generation sind jedoch die Gespräche zwischen Vertretern der jüngeren. Hier kommt schließlich auch zum tragen, dass die Co-Regisseurin Kat Rohrer nicht nur Österreicherin ist, sondern auch noch Enkelin eines Mannes, der nicht Mitläufer war, sondern ein Nazi-Offizier. Enkel von Tätern und Opfern treffen also aufeinander, Beschreibungen, die nicht nur die jeweiligen Individuen prägen, sondern auch die Gesellschaften als Ganzes. Doch während Deutschland und auch Österreich im Lauf der Zeit gelebt haben, mit diesem Status umzugehen und ihn zu einem von vielen Teilen ihrer Identität zu machen, prägt er in den Augen der jungen Israelis, das Selbstverständnis ihrer Nation über allen Maßen.
„Der Druck, sich an den Holocaust zu erinnern, steht Israel im Weg.“ sagt ein Israeli einmal und beschreibt damit das Gefühl, dass offenbar viele seiner Generation teilen: Dass die Vergangenheit, die Erinnerung an die Verbrechen des Holocausts in einem Maße die Gegenwart prägt, das lähmt. Nicht die einzige überraschende Aussage in einem Film, der auf feinfühlige Weise die Schwierigkeiten der Erinnerungskultur beschreibt.
 
Michael Meyns