Bad Director

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Ob man Oskar Rohler als „Bad Director“, als schlechten Regisseur bezeichnen kann oder inzwischen sollte, daran scheiden sich die Geister, in jedem Fall ist er ein Regisseur, der ganz offensichtlich viel Wut, um nicht zu sagen Hass auf die deutsche Filmbranche und die Eitelkeiten der Beteiligten mitbringt. Zwei Stunden kotzt er sich in seinem neuen Film aus und zeigt der Branche einen dicken, fetten Mittelfinger.

Deutschland 2023
Regie: Oskar Roehler
Buch: Oskar Roehler, nach seinem eigenen Roman „Selbstverfickung“
Darsteller: Oliver Masucci, Bella Dayne, Anne Ratte Polle, Elie Kaempfen, Samuel Finzi, Götz Otto

Länge: 133 Minuten
Verleih: Weltkino/ Alpenrepublik
Kinostart: 9. Mai 2024

FILMKRITIK:

Gregor Samsa (Oliver Masucci) war mal ein großer Regisseur, doch das ist lange her. Inzwischen nervt ihn alles an seinem Leben und der Branche, in der er mehr dahinvegetiert, als arbeitet. Am Tag des deutschen Filmpreises taumelt er aus einem Bordell, beschmiert sich seinen schneeweißen Anzug fast mit Dreck und geht dann mit großem Missmut doch auf eine Veranstaltung, auf der sich die in seinen Augen an gigantischer Selbstüberschätzung leidenden Gestalten aus seiner Branche falsche Komplimente machen, während die blonden Schauspielgrößen nur deswegen erfolgreich sind, weil sie skrupellos sind und reiche Medienmanager heiraten (Wer hier gemeint ist, dürfte klar sein….).

Am nächsten Tag soll Samsa mit dem Dreh eines neuen Films beginnen, doch vorher muss er unbedingt noch einmal in den Puff. Dort trifft er auf seine Grete (Bella Dayne), eine ebenso schöne wie gebildete Litauerin, die Samsa in jeder Hinsicht befriedigt. Doch all das ist vergessen, als er an das Set kommt, wo seine Beruhigungspillen nicht bereit liegen und sein selbstverliebter Hauptdarsteller Fabian sich als Method-Actor geriert und für jedes Türenöffnen nach Motivation verlangt. Und dann ist da noch die hysterische Diva Konstanze (Anne Ratte Polle), die hinterfragt ob ihre Rolle – eine Krankenschwester, die in den 50er Jahren einen Jüngling verführt – nicht etwas moderner gestaltet werden könnte. Samsas Nerven stehen kurz vorm Zerreißen.

Gefangene hat Oskar Roehler noch nie gemacht, besonders subtil waren seine Filme ebenfalls nie, vielleicht mit Ausnahme von „Die Unberührbare“, dem zarten, in schwarz-weiß gedrehtem Porträt über seine Mutter Gisela Elsner, für das er vor vielen Jahren mit Preisen überschüttet wurde. So leicht wie damals war es weder vorher noch danach, einen Roehler-Film zu mögen, denn im Normalfall ist sein Motto Radikalität. Was er sich und seinem Publikum jedoch in „Bad Director“ zumutet wirkt zwar in Momenten wie eine brillante, brüllend komische Satire über die Eitelkeiten der Filmbranche, dann jedoch wie ein wahlloses um sich treten.

Einige der pointiertesten Szenen sind die, in denen Roehler Samsa mit Schauspielern konfrontiert, die unfähig sind, selbst zu entscheiden, die Anleitung brauchen, sich aber dennoch für Halbgötter halten. Besonders Anne Ratte Polle brilliert hier als latent hysterische Diva, die in ihrer Wut schon mal in den Teppich beißt.

Nichts kann jedoch Oliver Masuccis Performance als Regisseur übertreffen, der Oskar Roehler nicht nur äußerlich zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch dessen Macken perfekt und damit schonungslos imitiert, so zumindest heißt es von Menschen, die beruflich das Vergnügen (oder Missvergnügen) hatten, mit Roehler zu tun zu haben. Ohne Rücksicht auf Verluste, am wenigsten die eigenen, stellt Roehler hier ein veritables Arschloch in den Mittelpunkt, der sich im Bordell auslebt, Untergebene wie Dreck behandelt (bisweilen allerdings zurecht) und von vergangenen Erfolgen zehrt. Hier Roehler selbst zu sehen liegt auf der Hand, ein Regisseur, der gelinde gesagt als schwierig gilt, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der im deutschen Fördersystem auch immer weniger Geld zur Verfügung bekommt, um seine Visionen zu realisieren. Bei seinem brillanten Fassbinder-Porträt „Enfant Terrible“ war die Not noch Quelle der Inspiration, doch inzwischen scheint Roehler keine Lust mehr zu haben, in einer Branche zu arbeiten, die sich kontinuierlich selbst ausbeutet und mit zu wenig Geld zu viele Filme dreht. So wirkt „Bad Director“ am Ende wie ein wütendes Fanal, mit dem Roehler sämtliche Brücken hinter sich abbricht und sein Verhältnis zur deutschen Filmbranche endgültig kappt.

 

Michael Meyns