Banklady

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Nach einigen mehr oder weniger verunglückten Ausflügen nach Hollywood besinnt sich Christian Alvart wieder auf seine Wurzeln: Deutsches Genrekino. Basierend auf einer wahren Geschichte inszeniert er mit „Banklady“ einen Blick in die grauen 60er Jahre, wo die biedere Gisela Werner per Banküberfall zur Glamourlady wird. Toll besetzt und ausgestattet, nicht unbedingt subtil, aber jederzeit unterhaltsam.

Webseite: www.studiocanal.de

Deutschland 2013
Regie: Christian Alvart
Buch: Christoph Silber, Kai Hafemeister
Darsteller: Nadeschda Brennicke, Charly Hübner, Ken Duken, Andreas Schmidt, Heinz Hoenig, Niels Bruno Schmidt
Länge: 117 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 27. März 2014

FILMKRITIK:

Deutschland, 1966. Das Wirtschaftswunder beschert der Republik gigantisches Wachstum, doch nicht alle profitieren. Tief in Hamburg arbeitet die schon über 30jährige Gisela Werner (Nadeschda Brennicke) in der Altonaer Tapetenfabrik, sehnt sich nach Lippenstift und dem Glamour der Hochglanzmagazine und vor allem nach Liebe. Doch dafür ist kaum Zeit, ihre Eltern, vor allem der Kriegsinvalide Vater verlangen nach Hilfe, mehr als flüchtige, höchst keusche Verabredungen mit ihrem Kollegen Uwe (Andreas Schmidt) sind nicht drin. Doch eines Tages vergisst Uwe einen Koffer bei Gisela und ihr Leben wandelt sich.

Am nächsten Tag steht Uwe mit seinem Kumpel Bernd (Charly Hübner) vor der Tür, bzw. am Fenster – Herrenbesuch war nicht gern gesehen – und verlangt den Koffer zurück. Wie sich herausstellt hat das Duo eine Bank überfallen – und Gisela will mitmachen. Ein paar Tage später gibt Bernd ihr eine Chance und aus dem verhuschten Mädchen wird die glamouröse Banklady.

19 Banken wird Gisela zusammen mit ihrem späteren Mann Bernd ausrauben, gejagt von Kommissar Fischer (Ken Duken) dessen moderne, bei Scotland Yard gelernte Methoden seinem Vorgesetzten (Heinz Hoenig) zuwider sind. Statt einfach nur eine weitere Razzia auf St. Pauli zu veranstalten, kommt Fischer dem Gauner-Duo mit seiner Finesse immer näher. Doch nicht nur der Verfolgungsdruck belastet Gisela: Als sie herausfindet, dass Bernd verheiratet ist und eigentlich Hermann heißt, droht ihr Glaube an die große Liebe endgültig zu zerbrechen.

Was Christian Alvart und seine Drehbuchautorin hier erzählen ist reinste Kolportage. Aber die reine Wahrheit, zumindest größtenteils. Für fast zwei Jahre hielt das Duo Gisela Werner und Hermann Wittdorf die Republik in Atem, lieferten dem Boulevard reißerische Schlagzeilen und wurden zu einer deutschen Version von Bonnie und Clyde. So zumindest möchte Alvart seine Helden verstanden wissen, die anfangs aus rein monetären Gründen zu Bankräubern werden, aber bald die ekstatische, sexuelle Kraft des Ungesetzlichen spüren.

Wie schnell sich die anfangs extrem naive, verhuschte Gisela vom Mäuschen zur coolen Kriminellen wandelt ist zwar ebenso dick aufgetragen wie das grau in grau der Nachkriegszeit, dass die detailverliebte Ausstattung zeigt. Doch das macht wenig, zu schön ist es anzusehen wie die Welt der 60er Jahre nachgestellt wurde, inklusive toupierten Haare und offenbar jedem noch verfügbaren VW Käfer. Dazu Christian Alvarts rasante Regie, die ihm nach frühen deutschen Filmen wie „Antikörper“ bald eine Einladung nach Hollywood verschaffte.

Dort lief es weniger gut und so kehrt er nun aus den Zwängen des Hollywood-Systems in die Zwänge des deutschen Filmfördersystems zurück. Und schafft es dennoch einen Film zu drehen, dem man nur selten sein geringes Budget, seine Fernseh-Coproduzenten anmerkt. Meist gelingt es Alvart mit „Banklady“ souveränes deutsches Genrekino zu inszenieren, flirrend inszeniert, toll ausgestattet und oft auch etwas, dass deutsches Kino nur allzu selten ist: Sexy.

Michael Meyns