Barfuss in Paris

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Als einen der Ursprünge des Kinos mag man die Pantomime betrachtet, das Vermitteln von Emotionen nur durch Gestik und Mimik, das gerade in Frankreich auch über die Anfänge des Kinos Tradition hat. In dieser bewegt sich auch das Duo Abel & Gordon in seinem neuen Film „Barfuß in Paris“, einer leichten, flüchtigen Geschichte über die Stadt und ihre Menschen.

Webseite: www.filmkinotext.de

OT: Paris Pieds Nus
Frankreich 2016
Regie & Buch: Dominique Abel & Fiona Gordon
Darsteller: Fiona Gordon, Dominique Abel, Emmanuelle Riva, Pierre Richard, Frédéric Meert, Philippe Martz
Länge: 83 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 7. September 2017

FILMKRITIK:

Tief in der verschneiten kanadischen Provinz wächst die junge Fiona auf, während ihre Tante Martha sich auf eine lange Reise nach Paris begibt. Viele Jahre später lebt Fiona (Fiona Gordon) immer noch in ihrer Heimat und bekommt eines Tages einen Brief aus Paris: Die inzwischen alte Martha (Emmanuelle Riva) weigert sich standhaft, in ein Altersheim zu ziehen, doch dazu benötigt sie nun Fionas Hilfe.

Kurzentschlossen macht sich diese auf den Weg zur ersten großen Reise ihres Lebens, das kurz nach ihrer Ankunft in Paris zu einem Abenteuer wird: Rucksack, Pass und Handy verliert sie, stromert allein und hilflos durch die fremden Straßen und begegnet bald dem Clochard Dom (Dominique Abel), der sich sofort unsterblich in sie verliebt. Was noch nicht auf Gegenseitigkeit beruht, doch lange kann Fiona dem unbeholfenen Charme Doms nicht widerstehen.

Unweigerlich denkt man bei der Kombination von Pantomime und Kino an den großen Jacques Tati, der eines der Vorbilder des belgisch-kanadischen Pantomimen-Duos Abel & Gordon ist, das nach diversen Bühnenproduktionen nun schon seinen vierten Langfilm vorlegt. Der nicht verhehlen kann, das seine Macher von der Bühne kommen und in einem Medium arbeiten, das eher für kurze Szenen geeignet ist, als für einen abendfüllenden Film.

Einer losen Handlung folgt „Barfuß in Paris“ zwar, die zum Teil autobiographisch die Geschichte von Fiona Gordon und Dominique Abel variiert, die seit Jahrzehnten zusammenarbeiten, doch in erster Linie ist dies eine lose Zusammenstellung von Szenen.
Zwar bemühen sich Abel und Gordon bisweilen auch um den Einsatz filmischer Möglichkeiten, erzählen in drei Kapiteln von Fiona, Dom & Martha, in denen sich die Wege der Figuren kreuzen und auf wundersame Weise am Ende zusammenfinden, doch mehr als Gerüst ist diese Struktur nicht. Die Fähigkeiten von Abel und Gordon liegen deutlich woanders, liegen im Einsatz ihrer Körper, die allein schon optisch markant und bemerkenswert sind.

Mit ihren expressiven Gesichtern erzählen sie mehr als viele Worte, lassen ihre Körper sprechen, wobei es nicht nur klassisch pantomimisch zugeht, sondern bisweilen auch zu ausgiebigen Tanzszenen kommt, zum Ende gar zu einer leibhaftigen Slapsticknummer.

Hoch über den Dächern Paris, auf den schmalen Streben des Eiffelturms tänzeln Abel und Gordon und sogar die kurz nach den Dreharbeiten verstorbene Emmanuelle Riva, während sie vorher noch einen makellosen Tango aufs Parkett gelegt hatten.
Man muss hier noch einmal den Vergleich zu Tati heranziehen, der in seinen Filmen deutlich dichter erzählte. Abel und Gordons „Barfuß in Paris“ dagegen ist offener, eklektischer, dadurch auch bisweilen etwas zerfahren und lose. Manche Sequenz funktioniert besser, manche weniger, zusammengehalten wird der Film vor allem vom Charme seiner Hauptdarsteller, nicht zuletzt der wunderbaren Riva, die hier, in ihrer vorletzten Rolle, trotz ihrer fast 90 Jahre immer noch bemerkenswerte Vitalität und Spielfreude verströmte.
 
Michael Meyns