Beerland

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Seit 15 Jahren lebt der amerikanische Filmemacher Matt Sweetwood in Deutschland – und er fragt sich noch immer, wie dieses merkwürdige Völkchen tickt. Über ihr Lieblingsgetränk will er den Deutschen auf die Spur kommen. So führt ihn sein Weg natürlich nach Bayern, aber auch in andere Regionen Deutschlands, wo er Biertrinkern, Brauern und anderen Bierbegeisterten über die Schulter – oder vielmehr: ins Glas – schaut. Dabei entsteht ein witziges Porträt dieses Landes aus einem schrägen Blickwinkel. Von einem Außenstehenden, der es mit Sympathie, aber oft auch großer Verwunderung betrachtet.

Webseite: www.beerland-derfilm.de

Deutschland 2011
Buch, Regie: Matt Sweetwood
Kamera: Thomas Lütz, Axel Schneppat
Produktion: Olaf Jacobs
Länge: 85 Minuten
Verleih: Movienet, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 25. April 2013

PRESSESTIMMEN:

"Ein amüsantes Lehrstück über die zwischen Regelungswut und Ausschweifung, zwischen Reinheitsgebot und Saufgelage pendelnde Mentalität der Deutschen."
DER SPIEGEL

FILMKRITIK:

„I‘ll enjoy my Coke“, sagt Matt Sweetwoods Mutter genervt. Der Filmemacher will seinen Eltern die lebendige deutsche Bierkultur präsentieren und kämpft sich mit ihnen durstig durch das Gewusel auf dem Oktoberfest. Denn getrunken wird hier nur hinter den verschlossenen Türen der großen Zelte, in die man nicht so leicht hineinkommt, erst recht nicht ohne Reservierung. Durch einen Trick kommen die drei Amerikaner dann doch noch in den Genuss einer Maß. Ein schwieriger Auftakt zu einer Reise durch deutsche Sitten und Gebräuche, die über sich Jahrhunderte durch die Liebe der Deutschen zu ihrem Bier ausprägten. Sweetwood ist bei der Hopfenernte in der Hallertau dabei, braut mit einem pensionierten Grundschullehrer selbst Bier; er wirft sich in den Trubel der Kölner Karnevals und trinkt Kölsch aus Whiskey-Gläsern, besucht die Region Bamberg mit ihren über 360 Brauereien und versucht sich mit der Wildeshausener Schützengilde beim Kampftrinken.

Ergebnis seiner Reise ist aber nicht ein dicker Schädel, sondern die Erkenntnis, dass der Biergenuss für die Deutschen weit über den Rausch hinausgeht. In amüsant anmierten Sequenzen legt er die Geschichte des Biers offen, erkundet die Wurzeln des Reinheitsgebotes von 1516 und erklärt, was die Erfindung des Kühlschranks mit dem Biergenuss zu tun hat. Dabei fördert er Geschichten und Geschichte zutage, die auch vielen Deutschen neu sein dürfte. Aber „Beerland“ erhebt nicht den Anspruch, umfassend über Geschichte und Herstellung des Bieres zu informieren. Sweetwood nähert sich den Deutschen vielmehr wie ein passionierter Anthropologe, der einen merwürdigen Volksstamm und seine Rituale beschreibt.

Heraus kommt ein Bild, das den Deutschen schmeicheln dürfte. So humorlos und streng, wie sie von anderen Nationen empfunden werden und sich selbst manchmal sehen mögen, sind sie gar nicht. Sweetwoods entdeckt ihre Gemütlichkeit und Offenheit, ihre Passion für ein gepflegtes Gespräch beim gemeinsamen Bier, zu der wie ein Running Gag immer wieder die Ermahnung gehört: „Beim Zuprosten anschauen!“. Laut Sweetwood hat Bier für die Deutschen noch immer eine mystische, ja beinahe spirituelle Qualität. Und das, obwohl er eine Massenparty nur mit einem gebrochenen Schlüsselbein übersteht.

Sweetwoods Film ist vor allem durch seine eigene, immer weiter wachsende Begeisterung durchweg sympathisch und sehr unterhaltsam. Vielleicht fehlt am Ende aber doch etwas die kristische Distanz. Ein paar Worte zum extrem hart umkämpften Biermarkt mit seiner wachsenden Konzentration auf einige wenige Konzerne zulasten kleiner Brauereien und damit der Biervielfalt hätten nicht geschadet. Auch das Phänomen des Jahr für Jahr weiter sinkenden Bierkonsums will nicht recht in das Bild passen, das Sweetwood zeichnet. Dennoch rückt er eine jahrhundertealte Kultur ins Licht, die man sich hierzulande oft selbst wenig bewusst macht, vielleicht gerade weil sie so selbstverständlich ist. Bier ist tatsächlich kein Getränk, auch kein flüssiges Brot, sondern Kulturgut. Das deutlich zu machen, ist das Verdienst von „Beerland“.

Oliver Kaever

Bier ist ein flüssiges Nahrungsmittel. Das gilt für manche Länder besonders, Belgien etwa oder auch Deutschland. Es gibt eine Bierkultur und eine Biersubkultur. Letzteres gilt für die Besäufnisse bis zur Bewusstlosigkeit, für das in letzter Zeit heruntergekommene Münchner Oktoberfest, für das Komatrinken „bis der Arzt kommt“ und für viele andere Veranstaltungen dieser Art.

Für die Bierkultur hat sich der in Deutschland lebende Amerikaner Matt Sweetwood (er stammt aus dem puritanischen Missouri) interessiert und filmisch eingesetzt. Und er hat dabei wissenswerte, nette und auch (besonders für ihn) kuriose Dinge zutage gefördert.

Denn das Bierbrauen ist offenbar keine ganz einfache Sache. Es bedarf professioneller und geschmacklicher Sensibilität, bis die vielen Biersorten genossen werden können. Vor dem 16.Jahrhundert mixten die „Brauer“ alles Mögliche und Unmögliche in das „Bier“ – Krankheit der sogar Tod waren manchmal die Folge. Erst als das bayerische Reinheitsgebot 1516 erlassen wurde, war das anders.

Sweetwood ging nach Köln, wo seiner Meinung nach das Bier aus „Whiskey-Gläsern“ getrunken wird; nach dem bayerischen Dorfen, wo auf der Bühne „Der Bierkrieg“ gespielt wird; in die Region Bamberg, die die größte Brauereidichte Deutschlands (meist Familienbetriebe) aufweist; in die berühmte Hallertau, wo der beste und meiste Hopfen herkommt – und die „Hopfenkönigin“ dazu; zur Wildeshausener Schützengilde, wo nach traditionellen wenn auch albernen Spielen Freibier ausgeschenkt und mit dem Trinken keineswegs gespart wird .

Der Regisseur ist ein Liebhaber der Bierkultur und des Bieres selbst geworden; sogar brauen hat er lernen können.

Sein Dokumentarfilm ist in unterhaltsamer Weise instruktiv. Und dies vor allem auch deshalb, weil der Autor und Kommentator sich witzig und sympathisch, überrascht und intelligent gibt. Man lässt sich diese Belehrungen gerne gefallen. Auch wenn der gesunde Ekel vor dem (anscheinend zunehmenden) Missbrauch nicht fehlt.

Thomas Engel