Belladonna of Sadness

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Seine Uraufführung erfuhr „Die Tragödie der Belladonna“ auf der 23. Berlinale im Jahr 1973, wo das Anime für den Goldenen Bären nominiert war. Der psychedelische Zeichentrickfilm des Japaners Eiichi Yamamoto („Kimba, der weiße Löwe“) wendet sich mit der Geschichte einer Frau, die einen Pakt mit dem Teufel eingeht, dezidiert an Erwachsene. Zeitweise galt der auf einem Konzept des Anime-Pioniers Osamu Tezuka („Astro Boy“) basierende Film als verschollen. Nun startet das visuell sehr eigenwillige Anime unter dem internationalen Titel „Belladonna of Sadness“ in einer restaurierten Fassung erstmals regulär in den deutschen Kinos.

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OT: Kanashimi no Beradonna
Japan 1973
Regie: Eiichi Yamamoto
Drehbuch: Yoshiyuki Fukuda, Eiichi Yamamoto
Sprecher: Tatsuya Nakadai, Katsuyuki Itô, Aiko Nagayama, Shigako Shimegi, Masaya Takahashi, Natsuka Yashiro
Länge: 93 Min.
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 1. September 2016
 

FILMKRITIK:

Japan im späten Mittelalter: Das glücklich verliebte Bauernpaar Jeanne und Jean gibt sich vor der versammelten Dorfgemeinschaft das Ja-Wort. Doch der tyrannische Fürst der Ländereien stürzt das Paar ins Unglück. Weil ihm Jeans Hochzeitstribut zu gering ausfällt, macht er von seinem Fürstenrecht Gebrauch und vergewaltigt die frisch vermählte Jeanne, die er sodann auch seinem Hofstaat zur Verfügung stellt. Was folgt, ist Trauer und Leere. Jean zerbricht am Unrecht, das seiner Geliebten angetan wurde, und die verzweifelte Jeanne vergießt viele Tränen. Doch dann erscheint ihr der Teufel, und zwar in Phallusform, als kleiner Penis mit Gesicht. Der Teufel buhlt um Jeannes Seele und verwandelt ihr Leid in Lust, indem er ihre körperliche Begierde wach kitzelt. Schnell folgt Jeannes Aufstieg zu einer betuchten und angesehenen, aber auch gefürchteten Frau. Zugleich gewinnt der Teufel immer größere Macht über sie, was freilich jede Menge Unheil und Verderben mit sich bringt.
 
Die oft elliptisch ausgeführte Handlung von „Belladonna of Sadness“ spielt eine untergeordnete Rolle. Die Geschichte der Frau, die sich auf den Teufel einlässt, basiert auf dem 1863 veröffentlichten Sachbuch „Satanismus und Hexerei“ von Jules Michelet und handelt von der (sexuellen) Emanzipation einer Frau. Zugleich setzt „Belladonna of Sadness“ aber auch auf reißerische Schauwerte, bevor das Ende bruchlos und ziemlich unmotiviert zur Französischen Revolution und der Ikone Jeanne d'Arc überleitet.
 
Ästhetisch fällt „Belladonna of Sadness“ sehr experimentell aus. Anstelle von animierten Bewegungen setzt Regisseur Eiichi Yamamoto auf unbewegte Einzelbilder, die an Storyboards erinnern und mit Aquarelltechnik umgesetzt wurden. Ob das am kleinen Budget liegt (die Produktionsfirma „Mushi Productions“ ging noch während der Produktion pleite) oder eine bewusste stilistische Entscheidung war, bleibt ungewiss.
 
Die ungewöhnliche Technik und Reminiszenzen an klassische Maler wie Gustav Klimt erzeugen jedenfalls einen ganz eigenen Seheindruck, der den Erwachsenen-Anime in die Nähe eines vertonten Bilderbuchs rückt. Nur vereinzelt entsteht eine Bewegungsillusion, die aber schon im nächsten Moment wieder verworfen wird. Die Zeichnungen selbst erinnern an westliche Vorbilder – von Kulleraugen und dem klassischen Animestil keine Spur. So ist „Belladonna of Sadness“ ein sehr extravaganter Film, auf den man sich als Zuschauer einlassen muss. Tut man dies, wird man mit psychedelischen, stilistisch reizvollen Bilder-Tableaus belohnt.
 
Christian Horn