Im August 2021 traten einige Aktivisten in den Hungerstreik, um die Regierung zu zwingen, endlich etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun. Es sind Kipppunkte, die anstehen, Schlüsselmomente, in denen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Der Hungerstreik war vergebens, Filmemacher Felix Maria Bühler folgte danach aber mehreren Aktivisten verschiedener Organisationen und liefert ein ungefiltertes Bild ab.
Website: https://www.wfilm.de/
Bis hierhin und wie weiter?
Deutschland 2024
Regie: Felix Maria Bühler
Darsteller: Guerrero, Lina, Taura, Charly, Fuchs
Länge: 91 Minuten
Verleih: W-Film
Kinostart: 19. September 2024
FILMKRITIK:
Sechs Monate nach dem Hungerstreik vom Sommer 2021 trifft sich ein Teil der Gruppe wieder. Lina ist Teil der Letzten Generation geworden und setzt auf den zivilen Ungehorsam. Anderen wie Taura, Guerrero, Charly und Fuchs geht das aber nicht weit genug. Sie fürchten die drohenden Kipppunkte – jene Momente, in denen alles unumkehrbar wird und die Klimakatastrophe unweigerlich ihren Lauf nimmt. Dass sie schneller kommt, als geahnt, ist nicht mal den Aktivisten klar. Hier hört man noch, wie gesagt wird, dass im Jahr 2030 eine Erderwärmung von 1,5 Grad stattfinden wird. Tatsächlich war jüngst zu lesen, dass diese Marke bereits in diesem Jahr gerissen wurde. Sind die Aktivisten also im Recht?
Felix Maria Bühler hat die fünf Aktivisten über ein Jahr hinweg begleitet, ging mit ihnen auf Aktionen, lässt sie ungefiltert zu Wort kommen und verzichtet auf Interviews. Er dokumentiert vielmehr die Szene, aber auch die einzelnen Protagonisten und liefert einen Einblick in Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände und Letzte Generation.
Vier der Aktivisten machen sich auf in den Hambacher Forst, wo die Kohlebagger kommen und die Räumung verhindert werden soll. Immer wieder gerät die Frage in den Fokus, wie weit Aktivismus gehen darf, wie radikal er werden darf. Die Ansichten auch der Protagonisten sind unterschiedlich. Die einen setzen auf den passiven Widerstand, die anderen fabulieren bereits vom Einsatz von Gewalt – als Reaktion auf die Polizisten, die Klimakleber brutal entfernen, aber auch als Reaktion auf Dinge, die gar nicht passierten. So phantasiert einer, dass die Polizei selbst immer radikaler werden und Aktivisten erschossen werden würden, was dann zwei Wochen Medienaufruhr bedeutet, aber niemanden interessiert. Ein elektrisierender Moment, weil er auch zeigt, wie losgelöst von der Realität Menschen auch sein können.
„Bis hierhin und wie weiter?“ wertet nicht, er überlässt das dem Publikum. Etwa dann, wenn Aktivisten das Partisanenlied „Bella Ciao“ anstimmen, dass durch die Netflix-Serie „Das Haus des Geldes“ erneute Popularität erlangt hat – kannten die Aktivisten es, bevor sie „Das Haus des Geldes“ sahen? Eine Frage, die offenbleibt, die aber auch illustriert, dass sie nicht im luftleeren Raum existieren. Ihre Ziele sind hehr, keine Frage, aber sind es ihre Mittel und Wege auch? Und wann kommt der Punkt, an dem der Aktivismus einen Kipppunkt erlebt und eine Radikalisierung stattfindet, die kontraproduktiv ist? Denn die Gedankengänge sind da, die Überlegungen zu weitgehenden Sabotageakten und die Diskussion darüber, welche Konsequenzen damit einhergehen könnten – auch für den einzelnen. Kein bequemer Film – für keine von beiden Seiten.
Peter Osteried