Black Friday for Future

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Spätestens mit ihrem Komödienhit „Ziemlich beste Freunde“ (2011) eroberten Éric Toledano und Olivier Nakache die Kinos der Welt und die Herzen des Publikums. Typisch für ihre Filme ist neben der scharfen Beobachtungsgabe, mir der sie soziale und gesellschaftliche Missstände analysieren, ihr positiver Humor, der sich vor allem aus dem Zusammentreffen der minutiös und mit viel Empathie gezeichneten Charaktere ergibt.
Auch ihr neuester Film mit dem etwas unglücklichen deutschen Titel „Black Friday for Future“ zeigt wieder alle diese Merkmale und ist wieder ein unterhaltsamer und witziger Film geworden – eine sehenswerte Sozialkomödie, diesmal mit Umwelt-Touch.

Webseite: https://www.weltkino.de/filme/black-friday-for-future

Frankreich 2023
Drehbuch und Regie: Olivier Nakache und Éric Toledano
Kamera: Mélodie Preel
Musik: Grandbrothers

Länge: 120 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 28. Dezember 2023

FILMKRITIK:

Die Ausgangssituation ist perfekt für eine Komödie – zwei Männer freunden sich an, weil sie etwas gemeinsam haben, und zwar einen riesigen Berg von Schulden. Der eine – Albert (Pio Marmaï) – jobbt auf dem Flughafen, wo er auch die Nächte verbringt, weil er keine Wohnung mehr hat. Sein mickriges Gehalt, das er in der Gepäckabfertigung verdient, bessert er mit illegalen Deals auf, indem er beschlagnahmte Waren vertickt. Der andere – Bruno (Jonathan Cohen) – steht plötzlich alleine da, seine Frau hat sich von ihm getrennt und den gemeinsamen Sohn mitgenommen. Alles wegen der Schulden. Beide Männer kommen gar nicht auf die Idee, ihr jeweiliges Lebensmodell in Frage zu stellen. Sie sind, ohne es zu realisieren, willige Opfer der Konsumgesellschaft. Während Albert sich dem drohenden Absturz ideenreich widersetzt – immer nach dem Motto: Zieh den anderen über den Tisch, bevor er dich über den Tisch ziehen kann – hat Bruno aufgegeben und will sich umbringen. Albert rettet ihm das Leben, wodurch sich die beiden kennenlernen. Bei ihren gemeinsamen Aktivitäten treffen sie auf eine Gruppe von Umweltaktivisten, denen sie sich anschließen. Nicht etwa aus Überzeugung, sondern weil sie hoffen, kostenlos was abzustauben, auch wenn es nur ein Glas Bier ist. Die scheinbar naiven Aktivistinnen und Aktivisten sind ein willkommenes Publikum für die beiden, besonders für Albert, der gleich ein paar Ideen hat, wie er die unschuldigen und hoch anständigen Umweltschützer für seine Zwecke ausnutzen kann. Dass er sich dabei in Kaktus (Noémie Merlant) verliebt, eine der führenden Aktivistinnen der Gruppe, ist zwar nicht geplant, wird aber gern in Kauf genommen. Unabhängig davon plant er mit Bruno und mit Hilfe der nichtsahnenden Umweltgruppe einen großen Coup, der ihn und seinen neuen Kumpel mit einem Schlag schuldenfrei machen soll.

Zwei gescheiterte Existenzen schließen sich also einer Gruppe von Aktivisten an, und zwar aus purem Egoismus. Zusammen mit der Liebesgeschichte wäre das an sich witzig und interessant genug, doch Toledano und Nakache finden zusätzlich noch eine Unmasse an Nebenfiguren und Nebengeschichten, die für die eigentliche Handlung kaum eine Bedeutung haben. Das kann sehr schön sein, aber in diesem Falle verkomplizieren sie das ohnehin schon komplexe Geschehen zusätzlich und lenken vom Wesentlichen ab. Da gibt es z. B. Henri (Mathieu Amalric), den spielsüchtigen Leiter des Schulden-Workshops, der in immer wieder neuen Verkleidungen versucht, in dieselbe Spielbank hineinzukommen. Zusätzlich tauchen Alberts Schwester und ihre Familie auf, Brunos Exfrau, Arbeitskollegen am Flughafen, eine reiche alte Frau, die sich als Philosophin entpuppt … Einige lange Sequenzen zeigen zudem die sehr ernsthaften und gutgemeinten Aktionen der Aktivistengruppe. Dabei wird der Klima- und Umweltaktivismus keinesfalls lächerlich gemacht, im Gegenteil: Dass die jungen Leute es ernst meinen, ist deutlich erkennbar, und das macht das Verhalten von Albert und Bruno noch asozialer und egoistischer. Dieser Konflikt könnte die Geschichte eigentlich stärken, doch erst zum Schluss kommt die Story dann wieder so richtig in Fahrt.

Relativ schnell wird klar, dass der sympathische Albert mit seinem sanften Welpenblick alles andere als harmlos ist, sondern mindestens ein Kleinganove und Hochstapler, der zu dusselig ist, um wirklich gut zu sein. Bruno ist zwar etwas ehrlicher, aber dafür umso bemitleidenswerter, wobei diese Rolle das große komische und tragische Momentum vermissen lässt - schade. Dennoch klappt das Zusammenspiel zwischen Pio Marmaï als Albert und Jonathan Cohen als Bruno. Auch Noémie Merlant überzeugt als Asketin, die ihr Leben dem Umweltaktivismus widmet, statt sich in den von ihr verachteten Konsum zu stürzen. Dennoch verliebt sie sich in Albert – nach dem Motto: Wo die Liebe hinfällt, und das ist wiederum eine sehr hübsche Wendung. Dass es auch für Albert und Bruno neue Lebensentwürfe geben könnte, dass sie also unter Umständen von den Umweltaktivisten etwas lernen könnten, wird erst spät klar. Dann finden Toledano und Nakache zurück zu ihren alten Qualitäten, indem sie den Corona-Lockdown mit einem Quasi-Happy End verbinden.

 

Gaby Sikorski