Blick in den Abgrund

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Von „Das Schweigen der Lämmer“ bis „CSI“: Profiler sind heute Popstars. In Romanen, Serien und Filmen kämpfen sie gegen das Böse in der Welt, verkörpert durch den finstersten Antagonisten unserer Zeit: den Serienkiller. Dadurch halten sie die Angst für uns in Schach. Was aber sind das für Menschen, die diesen Job in Wirklichkeit machen? Wie wirkt sich ihre Tätigkeit auf ihr Leben aus? Die österreichische Regisseurin Barbara Eder begleitet für ihre Doku sechs Profiler aus der ganzen Welt in ihrem beruflichen Alltag.

Webseite: www.blickindenabgrund.de

Deutschland/Österreich 2013
Buch und Regie: Barbara Eder
Länge: 90 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 23.1.2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die forensische Psychologin Helinä Häkkänen-Nyholm fragt sich, was den Täter wohl gertrieben haben mag, der sein Opfer nicht nur tötete, sondern ihm auch noch Messerstiche rund um die Augen versetzte. Die Frage lässt sie auch nicht los, als sie mit ihrem Mann einen Angelausflug unternimmt. Gérard Labuschagne, der Leiter der psychologischen Ermittlungsabteilung der Polizei in Südafrika, hat viel zu tun, denn in seinem Land gibt es besonders viele Serienkiller und -vergewaltiger. Fünf Jahre lang kann er den Job vielleicht noch machen, schätzt er, dann ist er wahrscheinlich ausgebrannt. Die Psychiaterin Helen Morrison aus den USA ist davon überzeugt, dass die Neigung zum Serienmord genetisch veranlagt sein muss. Sie kämpft seit Jahren dafür, das Hirn eines Killers mit Elektroden untersuchen zu dürfen. Robert R. Hazlewood und Roger L. Depue begründeten das Fach beim FBI und sind die Vorbilder für Thomas Harrisons Romanfiguren aus „Das Schweigen der Lämmer“. Auch als Rentner lässt ihre Arbeit sie nicht los. Der Düsseldorfer Kommissar Stephan Harbort ist der deutsche Experte auf dem Gebiet. Er interviewt einen Täter vor laufender Kamera.

Killer, Mörder, Würger üben auf uns alle eine morbide Faszination aus. Ratlos stehen wir vor ihren grauenhaften Taten, die scheinbar ohne Vorwarnung geschehen und unser Vertrauen in das Gute im Menschen erschüttern. Dass diese Art von Morden extrem selten geschieht, ist dabei zweitrangig. Vielleicht deshalb sind der Serienkiller und sein Jäger, der Profiler, zu so beliebten Figuren der Popkultur geworden. Denn durch ihre Fiktionalisierung wird die reale Gefahr immer auch wenig gebannt.

Barbara Eder geht also einen faszinierenden Weg, wenn sie echte Menschen zeigt, die in echten Fällen ermitteln. Plötzlich fehlt der Schleier der Fiktionalen, und das Blut, das vom Obduktionstisch gespült wird, ist echt. Die Regisseurin bemüht sich sichtlich, nicht der Versuchung zu erliegen und das Grauen sensationalistisch zu überhöhen. Es reicht schon, wenn eine besonders furchtbare Tat nur geschildert wird, und wir danach der wahren Tätern im Gerichtssaal in die Augen blicken. Oder wenn Stephan Harbort einem Serienmörder gegenübersitzt, desses Äußeres tatsächlich so brutal wirkt, wie wir uns das vorstellen.

Im Fokus aber stehen die Ermittler und wie sie damit umgehen, ständig mit dem Bösen konfrontiert zu sein. Auf sie alle hat ihre Arbeit großen Einfluss. Am weitesten öffnet sich Helinä Häkkänen-Nyholst der Regisseurin. Man spürt deutlich ihre Anspannung, und wenn sie beim Angelausflug ständig von ihrem Fall spricht, ob am Strand oder in der Sauna, dann bekommt der Film fast schon etwas Ironisches. Leider nutzt Barbara Eder eine Bildsprache und einen Schnitt, die sich deutlich an fiktionale Filme anlehnen. Dadurch scheint die Fiktion ständig die Realität zu überlagern. Insofern dokumentiert der Film auch unsere Faszination, die sich längst nicht mehr von den Kinobildern trennen lässt.

Oliver Kaever