Nach diversen Schauspielengagements legt Zoë Kravitz, Tochter von Musikstar Lenny Kravitz, ihr Debüt als Regisseurin vor. „Blink Twice“ erweist sich als saftiger, nicht gerade subtiler, insgesamt aber doch wirkungsvoller Thriller, der toxische Männlichkeit und Machtmissbrauch mit satirischen Mitteln aufspießt. Das Drehbuch mag seine Schwächen haben. Formal ist die frischgebackene Filmemacherin allerdings stets auf der Höhe. In jedem Fall ein interessanter Auftakt!
Originaltitel: Blink Twice
USA 2024
Regie: Zoë Kravitz
Drehbuch: Zoë Kravitz, E.T. Feigenbaum
Cast: Naomi Ackie, Channing Tatum, Adria Arjona, Alia Shawkat, Christian Slater, Simon Rex, Haley Joel Osment, Levon Hawke, Geena Davis, Kyle MacLachlan u. a.
Länge: 103 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Warner Bros. Germany
https://www.warnerbros.de/de-at/filme/blink-twice
Kinostart: 22. August 2024
FILMKRITIK:
Das Horror- und Spannungskino liebt Inseln, schickt Protagonisten gerne an entlegene Orte, die von Wasser umgeben sind. Warum? Ganz einfach: Ein Entkommen ist nur unter großem Aufwand möglich. Und in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt, kochen schwelende Konflikte schnell hoch. Auch Zoë Kravitz und ihr Drehbuchpartner E. T. Feigenbaum siedeln die Geschichte von „Blink Twice“ auf einem Eiland an, das auf den ersten Blick paradiesisch anmutet. Von Anfang an ist jedoch klar, dass hinter der schönen Fassade dunkelste Abgründe lauern. Verschleierungsaktionen bleiben aus. In groben Zügen lässt sich sehr früh sagen, worauf das Ganze hinauslaufen wird.
Unverhofft zu Besuch ist auf dem schmucken Fleckchen Erde die junge Kellnerin Frida (Naomi Ackie), die den Tech-Mogul Slater King (Kravitz‘ Verlobter Channing Tatum) auf einer Spendenveranstaltung kennengelernt und sich auf seine Einladung hin zusammen mit ihrer besten Freundin Jess (Alia Shawkat) seiner Entourage angeschlossen hat, um ein paar Tage Urlaub vom Alltag zu nehmen. King behauptet zwar, ein besserer, reflektierter Mensch geworden zu sein, seitdem er den CEO-Posten in seiner Firma wegen unangemessenen Verhaltens räumen musste und sich auf seine Privatinsel zurückzog. Frida und Jess erwartet dort aber hedonistisches Treiben in Reinform. Alkohol, Drogen, feinstes Essen – von allem gibt es reichlich. Und zwischen Frida und dem Hausherrn knistert es zudem gewaltig, sehr zum Missfallen der durch eine Dschungel-Reality-Show bekannt gewordenen Sarah (Adria Arjona). Je mehr die Zeit zu zerfließen scheint, umso beunruhigender finden Frida und Jess jedoch ihren Aufenthalt, der nach einer schockierenden Entdeckung eine blutige Wendung nimmt.
Die Dauerparty und das exzessive Benehmen der Anwesenden lädt „Blink Twice“ mit einer gehörigen Portion absurder Komik auf. Gleichzeitig erzeugen unheilvolle Vorahnungen und Irritationen eine bedrohliche Atmosphäre. Warum faselt eine der Bediensteten in Fridas Gegenwart andauernd etwas von einem roten Kaninchen? Weshalb ist ein Kleid mit Fleck aus heiterem Himmel wieder sauber? Und aus welchem Grund sind Fridas Fingernägel eines Morgens völlig verdreckt? Immer mehr Fragen türmen sich auf. Ähnlich wie der thematisch verwandte Mystery-Thriller „Don’t Worry Darling“ (2022) zögert Kravitz‘ Erstling eine Eskalation aber eine ganze Weile hinaus. Im letzten Drittel – so viel darf verraten werden – überschlagen sich dann aber die Ereignisse, kippt der mit religiösen Motiven spielende Film ins Horrorhafte und endet mit einer diskussionswürdig-reizvollen Pointe. „Blink Twice“ geht hier weiter als manch andere artverwandte Werke, die sehr klar abstecken, wer auf der moralisch guten Seite steht.
Herausstellen muss man allerdings auch: Kravitz‘ Inselschocker ist nicht besonders tiefschürfend, erzählt eher geradlinig und gewinnt seinem Thema – den gewaltsamen Strukturen in der Beziehung der Geschlechter – keine neuen Erkenntnisse ab. Was freilich nicht verwundert: Immerhin haben sich seit Aufkommen der #MeToo-Bewegung schon zahlreiche Filme und Serien mit Machtmissbrauch und/oder toxischer Männlichkeit befasst. Erst Anfang 2024 erschien in Deutschland der Outback-Thriller „The Royal Hotel“ (2023) von Kitty Green, die in ihrem Erstling „The Assistant“ (2019) den quälenden Alltag in einer fiktiven Filmproduktionsfirma beschrieb.
Auch wenn sich erahnen lässt, wohin die Reise in „Blink Twice“ geht, hat Zoë Kravitz einige kleine Überraschungen in petto. Ein Beispiel: Das Verhältnis von Frida und Sarah entwickelt sich in eine Richtung, die man nicht unbedingt erwarten würde. Zum Ende hin erklärt der Film seine Botschaften etwas zu plakativ und erlaubt sich generell ein paar Plattheiten. Frida ist als Protagonistin aber gerade ausreichend genug konturiert und angemessen mitreißend gespielt, um unsere Anteilnahme an ihrer verzwickten Lage aufrechtzuerhalten.
In den Bann schlägt einen die durchweg ansprechende Optik, die Art und Weise, wie die Neuregisseurin Farben verwendet und Klänge einsetzt. Ein Grollen und eine wiederkehrende Melodie, die ins Dissonante wechselt, unterstreichen etwa das langsam wachsende Unbehagen, das die eingestreuten Merkwürdigkeiten hervorrufen. Immer wieder sticht im Szenenbild ein kräftiges Rot hervor, das einerseits verlockende, andererseits aber auch warnende Wirkung hat. Von Zoë Kravitz werden wir noch einige stilistisch prägnante Arbeiten zu sehen bekommen – darauf möchten wir nach ihrem inhaltlich ausbaufähigen Debüt wetten.
Christopher Diekhaus