Blue Jean

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In den späten 80er Jahren spielt „Blue Jean“, erzählt aber ebenso von der Gegenwart, in der sich die Situation von Homosexuellen verbessert hat, aber immer noch viel zu oft in Frage gestellt wird. Auch dank der herausragenden Hauptdarstellerin Rosy McEwen gelingt Georgia Oakley mit ihrem Debütfilm ein vielschichtiges Drama über die Schwierigkeit, dazu zu stehen was man ist.

Webseite: https://salzgeber.de/bluejean

Großbritannien 2022
Regie & Buch: Georgia Oakley
Darsteller: Rosy McEwen, Kerrie Hayes, Lucy Halliday, Lydia Page, Becky Lindsay, Maya Torres, Ellen Gowland

Länge: 97 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 5. Oktober 2023

FILMKRITIK:

Erst nach der Trennung von einem Mann hat die Lehrerin Jean (Rosy McEwan) ihr Coming Out. Zumindest ihrer Familie und engen Freundin vertraut sie sich an, in der kleinen Schule im Nordosten Englands dagegen, darf niemand wissen, das sie lesbisch ist. Denn es sind die späten 80er Jahre, die konservative Thatcher-Regierung steht am Höhepunkt und hat ein Jahr zuvor ein Gesetzt mit dem Namen „Section 28“ verabschiedet, das die „Förderung von Homosexualität“ unter Strafe stellt. Würde Jean dabei ertappt werden, wie sie eine ihrer Schülerinnen darin ermuntert, offen zu ihrer Homosexualität zu stehen, könnte sie das den Job kosten.

Und genau so eine Schülerin kommt mit der 15jährigen Lois (Lucy Halliday) ins Spiel, die in Jeans Sportklasse schnell zur Außenseiterin wird, die von den anderen Mädchen isoliert und gemobbt wird. Ihrer eigenen Sexualität ist sich Lois anfangs noch gar nicht bewusst, bald jedoch taucht sie in einer Bar auf, in der Jean zusammen mit ihrer Freundin Viv (Kerrie Hayes) und anderen lesbischen Freundinnen feiert.

Während Viv ihre Sexualität offen auslebt und sich nicht scheut zu zeigen was sie ist und wen sie liebt, agiert Jean vorsichtiger, ängstlicher. Während sie in der Bar sie selbst sein kann, versucht sie in der Schule, den Schein zu wahren und erwehrt sich der Avancen männlicher Kollegen. Doch wie weit soll sie gehen, um Lois zu verteidigen, wie sehr will sie riskieren, dazu zu stehen was sie ist?

Auf den ersten Blick mag der Debütfilm von Georgia Oakley wie ein Historienfilm anmuten, der von seltsamen Ereignissen erzählt, die lange zurück liegen. Zwar ist es richtig, dass die „Section 28“ gut 15 Jahre später wieder zurückgenommen wurde, das sich die Situation für Homosexuelle zumindest in den westlichen Ländern im Allgemeinen deutlich verbessert hat. Andererseits zeigen gerade Entwicklungen jüngerer Vergangenheit, dass das Pendel wieder umzuschlagen scheint. Gerade hat die etwa die kanadische Regierung Homosexuelle vor Reisen in bestimmte Teile – nicht etwa der arabischen Welt – sondern der USA gewarnt, und die Panikmache vor der bloßen Diskussion von Transrechten oder Pronomen erzählt deutlich von einer Verschärfung von Konflikten, die längst überwunden schienen.

Erschreckend zeitgemäß wirken da Filme wie der unlängst im Kino gestartete „The Inspection“ oder nun Georgia Oakleys „Blue Jean“, die zwar in der Vergangenheit spielen, aber auch von der Gegenwart erzählen. Neben der visuell stimmungsvollen Evokation der späten 80er Jahre, ist es vor allem Hauptdarstellerin Rosy McEwen die „Blue Jean“ bemerkenswert macht. Eine ambivalente Figur ist sie, keine durch und durch heroische Person, sondern eine lange mit sich ringende Frau, die auch Fehler macht. Gerade diese Vielschichtigkeit macht die besondere Qualität von Georgia Oakleys Debütfilm aus, ein sensibles Drama über den schwierigen Prozess, zu sich selbst zu stehen.

 

Michael Meyns