Bolero

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Das Drama über die Entstehungsgeschichte eines der bekanntesten und meist gespielten klassischen Musikstücke der Welt ist gleichzeitig ein Biopic über seinen Komponisten, Maurice Ravel, in den Wilden Zwanziger Jahren, zur Zeit von Art Déco, Charleston und den Nachwehen des 1. Weltkrieges. Die Kostüme sind elegant, die Bilder gekonnt komponiert, aber Maurice Ravel als durchaus rätselhafte Persönlichkeit kommt ein wenig zu kurz. Das wird jedoch zumindest teilweise ausgeglichen durch die Präsenz von interessanten, starken Frauen, die ihn umgeben und beeinflussen.

Webseite: https://www.x-verleih.de/filme/bolero/

Land: Frankreich
Regie: Anne Fontaine
Drehbuch: Anne Fontaine, Claire Barré
Darsteller: Raphaël Personnaz, Doria Tillier, Jeanne Balibar, Emmanuelle Devos
Kamera: Christophe Beaucarne
Musik: Bruno Coulais

Länge: 120 Minuten
Verleih: X Verleih
Start: 6. März 2025

FILMKRITIK:

Der „Bolero“ von Maurice Ravel ist zweifellos eines der populärsten Musikstücke der Welt – alle 15 Minuten wird es statistisch gesehen irgendwo auf der Welt gespielt. 1928 veröffentlicht, gehört es zum Repertoire der modernen Klassik und wurde seitdem häufig gecovert, zuletzt in einer Techno-Variante von Symphonic, die mit dem ursprünglichen Volkstanz, auf dem das Stück basiert, nur wenig zu tun hat. Auch im Kino gehört der „Bolero“ zu den häufig verwendeten Kompositionen, in der Erinnerung lebt er noch immer in „10 – Die Traumfrau“ mit Bo Derek

Dieses überaus erfolgreiche Stück wurde von einem Komponisten geschaffen, der selbst eher unauffällig blieb. Das gilt auch für seine übrigen Werke. Der „Bolero“ mit seinen 300 Takten, ein sehr einprägsamer, einfacher Rhythmus, der sich immer mehr steigert, wurde zum One Hit Wonder der Klassik. Aber wer war eigentlich Maurice Ravel? Wie entstand sein Erfolgsstück? Und wie wirkte sich der Erfolg für den Komponisten aus? – Die vielbeschäftigte Regisseurin Anne Fontaine („Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“) und ihre Co-Autorin Claire Barré haben es sich nicht leicht gemacht, denn Maurice Ravels Biografie ist keinesfalls von übersprudelnder Lebensfreude gekennzeichnet – eher im Gegenteil, und sein Leben war eher von Zurückhaltung und Enttäuschungen geprägt sowie von einer schweren Krankheit, die ihn vermutlich viel stärker beeinflusst hat, als es im Film deutlich wird.

Für Maurice Ravel war der „Bolero“ ein Zufallstreffer, inspiriert von mechanischen Geräuschen – hervorgebracht von Industriemaschinen, die seinerzeit mit ihrem Lärm und ihrem Rhythmus viele Menschen faszinierten. So beginnt der Film: Maurice Ravel (Raphaël Personnaz) zeigt seiner Auftraggeberin, der Tänzerin und Choreografin Ida Rubinstein (Jeanne Balibar), eine Fabrik, die ihn zur Komposition des Stücks inspirieren wird. Ida Rubinstein hat ihn engagiert, für sie ein Ballett zu schreiben, und der Künstler quält sich. Ihm fällt nichts ein, immer öfter vertröstet er seine Auftraggeberin, klimpert auf dem Klavier herum, wird von schrecklichen Erinnerungen an den 1. Weltkrieg heimgesucht und scheitert zum x-ten Mal bei der Bewerbung um einen angesehenen Musikpreis. Doch all diese Handlungselemente sind eher unergiebig. So wendet sich die Geschichte folgerichtig von ihm ab und den Frauen in seinem Leben zu, die deutlich mehr Potenzial zu haben scheinen als der Komponist, um den es geht. Da ist seine Mutter (Anne Alvaro), die unerschütterlich an ihn glaubt, seine verheiratete Freundin und Förderin Misia Sert (Doria Tillier), mit der ihn eine unklare Beziehung verbindet, und Ida Rubinstein selbst.

Der „Bolero“ wird dann doch noch fertig und erlebt seine Ballettpremiere – und es scheint kaum glaublich, dass ausgerechnet der unauffällige Maurice Ravel dieses sexy Stück komponiert hat, das mit seinem eingängigen, leidenschaftlichen Rhythmus und einem sich immer mehr steigernden Tempo mehr an Liebestaumel als an Maschinengeräusche erinnert. Das passt auch kaum zum Klischee vom Paris der Belle Epoque und der Wilden Zwanziger mit den zahllosen russischen Emigranten, zu denen auch Misia Sert und Ida Rubinstein gehörten. Hier vermisst man ein wenig die Konsistenz, eine gewisse Geschlossenheit oder aber auch das Spiel mit den Gegensätzen.

Raphaël Personnaz, der vor allem in der TV-Serie „L’Opera – Dancing in Paris“ bekannt wurde, spielt die Hauptrolle und tut, was er kann, um dem Komponisten Leben einzuhauchen. Er macht aus Ravel einen Perfektionisten, der sich auf Frauen verlässt, ohne dass er sexuell an ihnen – aber auch nicht an Männern – interessiert ist. Maurice Ravel hat sein ganzes Leben lang nicht verstanden, warum der „Bolero“ mit Sex in Verbindung gebracht wurde. Da liegt die Vermutung nahe, dass ihm einfach die Erfahrung gefehlt hat. Doch damit beschäftigt sich der Film nicht. Am Ende wird Ravels Leidensweg gezeigt, der möglicherweise einiges erklären könnte. Er litt an einer seltenen Demenzkrankheit, deren erste Symptome ihn in der Realität wahrscheinlich schon beschäftigten, als er den „Bolero“ komponierte. Bald darauf kann er zwar noch komponieren, aber er ist nicht mehr in der Lage, das aufzuschreiben, was in seinem Kopf ist. Er stirbt ... und sein „Bolero“ bleibt.

 

Gaby Sikorski