Bombay Beach

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Auf der Rückseite des amerikanischen Traums ist es heiß, staubig und einsam. Bombay Beach war einst eine aufstrebende Gemeinde mitten in der kalifornischen Colorado-Wüste, die sich mit zahlreichen Prominenten schmückte. Heute leben hier nur noch die Verlierer im Kampf ums Glück. In ihrem ersten Dokumentarfilm zeigt die Videoclip- und Werbefilmerin Alma Har‘el eine Welt, die dem Untergang geweiht ist und deren Bewohner sich so gut es geht den widrigen Bedingungen stellen.

Webseite: www.rapideyemovies.de

USA 2011
Regie und Kamera: Alma Har‘el
Schnitt: Joe Lindquist, Alma Har‘el
Musik: Bob Dylan, Beirut
Länge: 76 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 27. September 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Bombay Beach liegt 70 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit die am tiefsten gelegene Stadt in den USA. Tiefer sinken kann man also nicht. Für die, die hier noch immer aushalten, muss das wie bittere Ironie klingen. Denn Bombay Beach liegt an dem langsam sterbenden Saltonsee, und auch die Gemeinde selbst siecht dahin. In den 50er-Jahren war es schick, in der „Wüsten-Riviera“ zu wohnen. Bombay Beach war das Wochenend-Heim von Frank Sinatra und seinen Freunden, auf dem See wurde Wassersport betrieben. Heute sind keine Rennboote mehr zu sehen, nur noch tote Fische, die am Ufer treiben. Seit Jahren erhöht sich der Salzgehalt des Wassers unaufhaltsam. Gleichzeitig nimmt die Bewohnerzahl von Bombay Beach immer weiter ab, 2010 lebten nur noch 295 Menschen hier. Einer von ihnen ist Red, ein alter Mann, der Kette raucht und in der Nachbarstadt Slab City in einem Wohnwagen haust. Ein anderer der kleine Benny, der verhaltensauffälig ist und mit Ritalin und Lithium ruhig gestellt wird. Und CeeJay flüchtete aus Los Angeles hierher, nachdem sein Cousin erschossen wurde. Er hofft, über ein Football-Stipendium das College besuchen zu können.

Alma Har‘el hat mit „Bombay Beach“ eine einzigartige Mischung aus Sozial-Doku und ästhetischem Experiment geschaffen, die thematisch so bedrängend wie filmisch berauschend ist. Mit Red, Benny und seiner Familie sowie CeeJay hat sie Protagonisten gefunden, die für das Amerika der Verlierer stehen. Vor allem die knorrigen Betrachtungen des alten Streuners Red über das Leben erinnern an die knochentrockene und doch empathische Prosa Hemingways und öffnen dem Film eine Perspektive, die in den Raum der Fiktion führt. Auch die Location selbst wirkt in ihrer Überhöhung und symbolischen Überdeutlichkeit fast schon wie ein erzählerisches Element. Har‘el arbeitet ganz bewusst mit dem Gegensatz von Dokumentation und Fiktion, und sie überschreitet die Grenze auch. Nicht zuletzt durch ihre stark stilisierte Filmsprache, für die sie Filter und gegenlichtige Aufnahmen einsetzt, die Kamera ständig in Bewegung hält und ihre „Darsteller“ sogar in rührenden Tanzszenen inszeniert, die zu den jeweiligen Figuren passen. Gleichzeitig arbeitet Har‘el aber auch streng dokumentarisch. Das funktioniert am besten bei Benny Geschichte, die ein herzloses amerikanisches Gesundheitssystem zeigt, das schon Vierjährige mit Ritalin ruhig stellt, anstatt nach den Gründen für ihr „auffälliges“ Verhalten zu fragen.

Dieses scheinbar widersprüchliche und brüchige Konzept findet zu einer bemerkenswerten Einheit, nicht zuletzt dank der ebenfalls sehr bewusst eingesetzten Musik, die Bob Dylan und der mit der Regisseurin befreundete Musiker Zach Condon, Gründer der Folk-Band Beirut, liefern. „Bombay Beach“ ist ein eigenwilliger Hybrid aus Musikvideo, Dokumentation und Erzählung in der Tradition der Great American Novel. Aber der Film verrät seine Figuren und sein Thema nie um des Experiments willen. Was für ein Fisch er gern sein würde, fragt seine Mutter den kleinen Benny. „A happy fish!“, kräht der ganz ernsthaft. Trotz des Verfalls um sie herum behalten die Figuren ihre Würde und den Glauben an eine bessere Zukunft. Letztlich ist „Bombay Beach“ ein optimistischer Film. Und auch damit wieder sehr amerikanisch.

Oliver Kaever

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