In Köln sind sie weltbekannt: 1990 als Rockband gegründet, ist die kölsche Gruppe „Brings“ seit ihrer Neuerfindung im neuen Millenium ein fester Bestandteil des Kölner Karnevals. Zum 30-jährigen Jubiläum haben die Filmemacher Andreas Fröhlich und Wilm Huygen die Band um die Brüder Peter und Stephan Brings ein Jahr lang mit der Kamera begleitet und zusammen mit viel Archivmaterial ein charmantes Musikerporträt montiert. Für die Kinoauswertung hat sich der Verleih mindjazz pictures ein passendes Gimmick ausgedacht, das nicht nur zur Band selbst, sondern auch zur pandemischen Umwälzung der letzten eineinhalb Jahre passt: Um den Kinostart herum tourt der Film im Rahmen einer „solidarischen Kneipentournee“ durchs Rheinland; ein Teil des Erlöses soll die Lockdown-gebeutelte Gastronomiebranche unterstützen.
Website: https://mindjazz-pictures.de/filme/brings-nix-foer-lau/
Dokumentarfilm
Deutschland 2021
Regie und Buch: Andreas Fröhlich, Wilm Huygen
Mitwirkende: Peter Brings, Stephan Brings, Kai Engel, Harry Alfter, Christian Blüm, Klaus „Major“ Heuser, Uli Kurtinat, Carolin Kebekus, Eko Fresh, Stoppok, Jürgen Zeltinger
Laufzeit: 86 Min.
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 28.10.2021
FILMKRITIK:
Nach der „Brings“-Gründung im Jahr 1990 versuchten sich Peter und Stephan Brings, Harry Alfter und Matthias Gottschalk zunächst an englischen Texten, was die Musiker aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse aber rasch wieder verwarfen und rückblickend belächeln. Der erste Durchbruch ging mit der Entscheidung einher, deutsche Texte auf Kölsch zu singen. Die Rockband traf damit einen Nerv und feierte erste große Erfolge, darunter Auftritte mit Billy Idol, bei Rock am Ring oder im ausverkauften Müngersdorfer Stadion. Mit dem überproduzierten und fragwürdig betitelten dritten Album „Hex'n'Sex“ ebbte die steile Erfolgskurve zunächst wieder ab. Gottschalk verließ die Band, Christian Blüm und Kai Engel stießen dazu. Es folgten Jahre in der halben Versenkung bis hin zum Bankrott, bevor die Mundart-Band zu Beginn der Nullerjahre den Faschings-Hit „Superjeilezick“ landete – der Anstoß für eine Neuerfindung. Statt Classic-Rock kredenzt „Brings“ seither vor allem Stimmungshits für die Kölner Karnevalssession. Was nicht allen Fans schmeckte, bescherte der Band zum 20-jährigen Bestehen im Jahr 2011 ein Open-Air-Konzert vor rund 50.000 Gästen im Rheinenergiestadion.
Ursprünglich begleiteten Andreas Fröhlich und Wilm Huygen „Brings“ für die 45-minütige WDR-Doku „Su lang mer noch am lääve sin“. Aus dem Material, das im Verlauf eines Jahres entstanden ist, wurde nun der Kinofilm „Nix för lau“ erstellt, der drei Jahrzehnte der Bandgeschichte rekapituliert. Mit aktuellen Interviews, privatem und öffentlichem Archivmaterial, Konzertmitschnitten, Clips aus Musikvideos oder kurzen Statements von Weggefährten wie Eko Fresh und Carolin Kebekus setzt das konventionell arrangierte Bandporträt auf die Standards des Genres. Was dem Film ein besonderes Herz verleiht, sind die Bandmitglieder selbst, die ihre Geschichte offen und ehrlich kommentieren. Mit liebenswerter Selbstironie und ohne falsche Scham vor fragwürdigen Kapiteln und Fußnoten lassen die Brüder Brings und co durchblicken, dass sie sich trotz ihres Erfolgs und der Transformation vom Rock zum Karneval treu geblieben sind. So geht es nicht nur um Karrierehöhepunkte, sondern auch um Themen wie Existenzangst, Kokainsucht oder Burnout. Auch die Berührungsängste, die die ersten Karnevalsauftritte der Köln-Rocker mit sich brachten, werden gerade heraus thematisiert.
Da die Dokumentation im Corona-Jahr 2020 produziert wurde, fließen auch Bezüge zum Kultur-Lockdown der letzten Monate ein. In einer der schönsten Szenen spielen „Brings“ ein Autokonzert, bei dem die Scheinwerfer und Warnblinkanlagen der Autos wie ein Sternenmeer funkeln. Ein Zeichen der Hoffnung in einer weitgehend konzertlosen und tristen Zeit, in der die Band mit dem Song „Quarantäne“ auch wieder alte Rockzeiten aufleben ließ. Dass mindjazz pictures den Film nun unter dem Motto „Weetschaffshilfe – Nix is verjesse, nix is vörbei“ in Form von Kneipen-Screenings aufführt, passt somit auch inhaltlich gut zu den geerdeten Aussagen der Bandmitgleiter. Der optimistische Grundton des Porträts, das Brüche und Neustarts als Chance präsentiert, passt gewiss auffallend gut zu einem frisch gezapften Kölsch und netter Gesellschaft. Und anders als mit manch anderen Unterhaltungsprofis kann man sich mit den kölschen Jungs von „Brings“ sogar einen gemeinsamen Bierdeckel vorstellen.
Christian Horn