But Beautiful

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„Wo bleibt das Positive?“, wurde einst Erich Kästner genervt. Filmemacher Erwin Wagenhofer ging auf die Suche. Nach seinen streitbaren Filmen „We Feed The World“, „Let’s Make Money“ und „Alphabet“ widmet sich der renommierte  und vielfach  ausgezeichnete Regisseur Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, um eine zukunftsfähige Welt zu gestalten. Seine poetische Hommage vermittelt Zuversicht und motiviert. Der Zuschauer erlebt Frauen ohne Schulbildung, die Solaranlagen für Dörfer auf der ganzen Welt bauen, Permakultur-Visionäre auf La Palma, die Ödland in neues Grün verwandeln und einen österreichischen Förster, der die gesündesten Häuser der Welt entwickelt hat. Und bei allen aufgezeigten Perspektiven fehlt nicht die inspirierende Macht der Musik. Exzellenter Jazz trägt und verbindet die eindrücklichen Bilder.

Webseite: www-but-beautiful-film.com

Dokumentation
Deutschland, Österreich 2019
Regie & Kamera: Erwin Wagenhofer
Buch: Erwin Wagenhofer, Sabine Kriechbaum
Darsteller: Kenny Werner, Barbara und Erich Graf, Shahnaz Banu, Bunker Roy, Kamla Devi, Basanta, Lucia Pulido, Erwin Thoma, Mario Rom, Lukas Kranzelbinder, Herbert Pilker, Jetsun Pema, Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama.
Verleih: Pandora
Länge: 116 Minuten
Kinostart: 14.11.2019

FILMKRITIK:

„Es wird uns jeden Tag erzählt, dass irgendwas knapp ist“, sagt Erwin Thoma. „Und in Wahrheit ham ma, von überhaupt nix zwenig, sondern nur falsche Konzepte“, weiß der gelernte Forstingeneur aus Österreich.  Er baut inzwischen die gesündesten Holzhäuser der Welt, in denen man weder Heiz- noch Kühlsysteme braucht. Entstanden ist das Ganze, weil sein Sohn eine Leimallergie entwickelte. Erst nach dem Entfernen aller schädlich behandelten Wände und Fußböden konnte er wieder atmen. Erich Thoma versprach ihm, auch anderen Menschen diese Chance zu geben.
 
Daraus entwickelte sich eine kleine Firma mit einem „Herzensteam“. Abfallfreies und nachhaltiges Bauen ohne Chemie. Und woher kam die Lösung? Das natürliche Kreislaufsystem des Waldes war für den damals jüngsten Revierförster Österreichs das Vorbild seiner „Geschäftsidee“, die eigentlich nie als solche gedacht war. Und wer im Film den Mann auf seinem Pferd durch die österreichischen Wälder rund um Goldegg reiten sieht, genießt dieses Bild und spürt die Verbundenheit zur Natur. Er nimmt uns mit in eine Welt, die vielen von uns fremd geworden ist: das Leben mit dem Wald, die Faszination der Bäume und ihrem Holz. Der 57jährige beschreibt Bäume wie Weggefährten.
 
Einen neuen Ansatz in ihrem Leben verfolgen auch die Grafs. Zwei Akademiker mit guten Jobs in Berlin bevor sie ausgewandert sind, um auf La Palma von der industriellen Landwirtschaft verwüstetes Land zu kaufen. In nur zehn Jahren verwandelten sie das Ödland in ein blühendes Paradies. Das Zauberwort heißt: Permakultur. Freilich gibt Architektin Barbara Graf  offen zu, dass die ersten Jahre so hart waren, dass sie fast täglich weinte. Doch wie bereits bei der Doku „Unsere große kleine Farm“ überzeugen die Bilder von einem natürlicheren Leben. Der Mythos, dass die industrielle Landwirtschaft die Welt ernährt, zerfällt.
 
Und heute leben die Grafs völlig autark und haben in der Gegend Vorbildfunktion.
Dass Frauen die Welt verändern können zeigt der indische Sozialaktivist Bunker Roy. Frauen, die nicht lesen und schreiben können bildet er am „Barefoot College“ in nur sechs Monaten zu Solaringenieurinnen aus. Sie gehen zurück in ihre Dörfer, bringen „Licht“ und verbessern damit die Lebensqualität. Von den neuen Möglichkeiten motiviert, ihr Leben zu bereichern, schreiten sie selbstbewusst voran. Dabei geht es dem renommierten Regisseur nicht zuletzt um die Würdigung des weiblichen Prinzips schlechthin.
 
Diesen Aspekt bringt auch die kolumbianische Sängerin Lucia Pulido ein. Gleichzeitig überstrahlt  die soziale Kraft der Musik, die Verbundenheit schafft, die poetische Hommage an das Leben. Dabei dominiert exzellenter Jazz wie man ihn selten hört. Er bildet eine Art Dialog, verwebt Sequenzen und Protagonisten miteinander. Nicht umsonst ist der Filmemacher begeisterter Jazzfan und wollte früher selbst Jazzmusiker werden. Mario Roms Band „Interzone“,  die schon als eine der größten Entdeckungen der umtriebigen Musikszene Österreichs gefeiert wird, lernte er auf  dem INNtöne Jazzfestival des Bioschweinezüchters Paul Zauner kennen. Selbst nachhaltiger Jazzgenuss ist also möglich. Und dabei vielleicht etwas Glück empfinden, von dem Jetsun Pema, die Schwester des Dalai Lama weiß, dass wir es eben nicht in der Shopping Mall kaufen können.
 
Luitgard Koch