Can’t be silent

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Ein Fanal gegen die fragwürdige Flüchtlingspolitik Deutschlands ist Julia Oelkers Dokumentarfilm „Can’t be Silent“. Nicht mehr zu schweigen, nicht mit anzusehen, nicht hinzunehmen, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge in Deutschland oft leben, war für die Hamburger Band „Strom & Wasser“ der Anlass, mit einigen musizierenden Flüchtlingen auf Tour zu gehen und ihnen Bühne und Stimme zu geben.

Webseite: www.cant-be-silent.de

Deutschland 2013 - Dokumentation
Regie: Julia Oelkers
Länge: 85 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 15. August 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Flüchtlinge sind den Mainstream-Medien meist nur noch dann eine Meldung wert, wenn auf dem Mittelmeer Boote aus Afrika sinken oder der Pabst die Flüchtlingspolitik der EU beklagt. Doch wie Flüchtlinge aus afrikanischen oder osteuropäischen Ländern, die ihre Heimat aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen verlassen haben, ihren Alltag bestreiten, dass bleibt meist im Dunkeln.

Auch um auf die beschämenden Zustände in Flüchtlingsheimen aufmerksam zu machen, initiierte der Musiker Heinz Ratz mit seiner Band „Strom & Wasser“ 2011 ein Projekt, dass etlichen Flüchtlingen die Möglichkeit gab, Musik zu machen. Als „Refugees“ nahm man eine Platte auf und ging auf Tour durch Deutschland, immer im Bewusstsein, dass einzelne Mitglieder der Band schon morgen abgeschoben werden könnten. Zwar zeigt Julia Oelkers in ihrer Dokumentation „Can’t be silent“ etliche Ausschnitte aus Konzerten, die mit ihrem wilden Stilmix aus Rap, Reggae, Hip-Hop und anderem zahllose Zuschauer begeisterten, doch der Schwerpunkt des Films liegt auf den Musikern, ihrem täglichen Leben, den ganz normalen Problemen eines Flüchtlings in Deutschland.

Sam aus Gambia etwa, lebt in Reutlingen und trommelt, ebenso wie Jacques aus der Elfenbeinküste, der in Bramsche in Niedersachsen untergebracht ist. Hosain ist ein afghanischer Rapper, Nuri stammt aus Dagestan und wuchs in einem Flüchtlingsheim in Gifhorn auf. Dies sind nur einige der Musiker, die zu Wort kommen, soweit es möglich war (bisweilen wurde eine Drehgenehmigung verweigert) an ihrem jeweiligen Wohnort, in beengten Zimmern, hinter Zäunen, in Zuständen, die für ein reiches Land wie Deutschland beschämend sein sollten. Aus ihren Wohnorten dürfen sie sich nur mit Genehmigung bewegen, was eine große Tour durch Deutschland schon organisatorisch zu einem großen Problem machte. Zumal die zuständigen Beamten oft wenig Interesse zeigten, den Flüchtlingen zumindest für einige Wochen die Möglichkeit zu geben, als Musiker zu agieren, zumindest für kurze Zeit der Enge und Hoffnungslosigkeit der Lager zu entfliehen.

All diese Schicksale schildert Oelkers ganz sachlich, ohne sich selbst einzuschalten. Doch das ist auch gar nicht nötig. Zu empörend sind die Berichte der Musiker, zu absurd wirken die Regelungen der deutschen Bürokratie, zu ausweglos scheint die Situation der Flüchtlinge. Warum sie jeweils ihre Heimat verlassen haben und sich auf den langen, oft beschwerlichen Weg nach Europa bzw. Deutschland gemacht haben, bleibt meist offen. Bürgerkriege, autokratische Regime, die sich jegliche Kritik verbieten, gibt es auf der Welt genug und dementsprechend viele Gründe, sich in eine ungewisse Zukunft aufzumachen.

Was aus den Musikern werden wird ist offen. Zum Abschluss des „Refugees“ Projekts nimmt die Band aktuell noch eine CD auf und wird sich Ende des Jahres auf eine letzte Tour durch Deutschland begeben. Heinz Ratz und seine Band werden sich auf andere Art für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen oder sich in anderer Hinsicht engagieren, den Musikern selbst droht weiterhin jeden Tag die Abschiebung. Und gerade diese Ungewissheit führt zu einem Leben, dass man sich selbst nicht vorstellen mag. Darauf aufmerksam zu machen ist einer der Verdienste von Julia Oelkers Dokumentation „Can’t be silent.“

Michael Meyns