Catch the Killer

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Neun Jahre nach seinem internationalen Hit „Wild Tales – Jeder dreht mal durch!“, einem furiosen Episodenfilm über Gewalt und Rache, der sogar eine Oscar-Nominierung erhielt, meldet sich der Argentinier Damián Szifron mit einer neuen Regiearbeit zurück. „Catch the Killer“ greift – der Titel lässt es schon vermuten – dass vor allem im Thriller-Kino der 1990er Jahre überaus beliebte Motiv des Serienmörders auf und bietet, auf den Spuren großer Genrevorbilder wandelnd, weitgehend passable Spannungsunterhaltung. Etwas Enttäuschung lässt sich dennoch nicht verhehlen, hätte man sich von Szifrons erstem englischsprachigen Projekt unter dem Strich doch etwas mehr als soliden Nervenkitzel erhofft.

Originaltitel: „To Catch a Killer“
Regie: Damián Szifron
Drehbuch: Damián Szifron, Jonathan Wakeham
Darsteller: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson, Richard Zeman, Dusan Dukic, Jason Cavalier u. a.
Länge: 119 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Tobis
Kinostart: 05.10.2023
Website: https://tobis.de/titel/catch-the-killer

FILMKRITIK:

Mit der Adaption des Erfolgsromans „Das Schweigen der Lämmer“ löste Jonathan Demme Anfang der 1990er Jahre auf der großen Leinwand nicht weniger als einen Serienkillerboom aus. Die Figur des diabolisch-manipulativen Massenmörders avancierte endgültig zu einer Popkulturikone, erreichte in den vielen Imitaten aber nie die Intensität des von Anthony Hopkins so charismatisch gespielten Kannibalen Hannibal Lecter. Heutzutage tummeln sich Gestalten wie er vor allem im TV- und Streaming-Bereich. Dort, wo sich das Genre der True-Crime-Serie gewaltiger Beliebtheit erfreut. Im Kino sind Serienkiller mittlerweile seltener anzutreffen, was Damián Szifron allerdings nicht davon abhält, bei seinem Hollywood-Debüt einen recht klassisch gestrickten Vertreter abzuliefern.

Schon kurz nach dem Start greifen in „Catch the Killer“ Chaos und Panik um sich. Während der Silvesterfeierlichkeiten in der US-Hafenstadt Baltimore tötet einen Heckenschützen aus einer Hochhauswohnung heraus 29 Menschen, die er offenbar wahllos ausgewählt hat. Mittendrin im Durcheinander, das die Inszenierung kompetent zu vermitteln weiß, befindet sich die Streifenpolizistin Eleanor (Shailene Woodley), die mit ihrer Geistesgegenwart dem FBI-Beamten Lammark (Ben Mendelsohn) schnell imponiert. Obwohl ihr die entsprechenden Qualifikationen fehlen, macht der Chefermittler die junge Frau in einer etwas forcierten Drehbuchvolte zu seiner engsten Vertrauensperson neben dem Kollegen Jack McKenzie (Jovan Adepo). Gemeinsam versucht das Trio, ein Profil des unbekannten Täters zu erstellen, und muss sich dabei auch gegen Angriffe aus den eigenen Reihen zur Wehr setzen.

Dass „Das Schweigen der Lämmer“ als eine starke Inspirationsquelle diente, belegt schon die Zeichnung der Hauptfigur. Eleanor ist eine relativ unerfahrene Polizistin mit einer schmerzhaften Vergangenheit und sei laut Lammark gerade wegen ihrer Erfahrungen prädestiniert, in den Kopf des mysteriösen Heckenschützen hineinzuschauen. Die Parallelen zwischen der Protagonistin und dem Mörder sind im Genre natürlich ein alter Hut und wirken hier etwas zu aufgesetzt, um dem Film mehr psychologische Substanz zu geben. Auch wenn sich Szifron und Koautor Jonathan Wakeham bemühen, Eleanors Dämonen, ihre Selbstzweifel herauszuarbeiten, gibt es keine richtige Bindung zur Geschichte.

Deutlich gelungener beschreibt „Catch the Killer“ da schon das vertrauensvolle Verhältnis der jungen Beamtin zu ihrem Mentor Lammark, dem das Skript zumindest ein paar unerwartete Facetten verleiht. Wiederholt gibt es Momente, in denen der Fall kurz zurücktritt und die Ermittler über persönliche Dinge sprechen. Was die beiden zusammenschweißt, ist nicht zuletzt das Kompetenzgerangel, mit dem sie sich ständig herumschlagen müssen. Geradezu verzweifelt ringt Lammark darum, die Zügel in der Hand zu halten, und wittert überall die Gefahr, übergangen oder gar aus dem Spiel genommen zu werden. Sind derartige Grabenkämpfe in vielen ähnlich gelagerten Thrillern nur schmückendes Beiwerk, nehmen sie hier durchaus größeren Raum ein. Offenkundig wollen die Macher aufzeigen, wie politische Scharmützel effektive Polizeiarbeit behindern.

Überhaupt muten sich Damián Szifron und Jonathan Wakeham einiges zu, kombinieren sie doch Spannungsunterhaltung mit einem umfassend kritischen Blick auf die US-Gesellschaft, den spezifischen Waffenfetisch und den amerikanischen Kapitalismus. Große Ambitionen, denen sie letztlich allerdings nicht gerecht werden. Was die soziale Analyse betrifft, bleibt „Catch the Killer“ eher Stückwerk, scheitert daran, alle Gedanken überzeugend zusammenzubringen.

Seine Handlung verpackt der Regisseur gemeinsam mit Kameramann Javier Juliá in schicke, meist stimmungsvolle Bilder. Die im Serienkillerfilm so typischen grellen Gewaltexzesse bleiben aus, obwohl das Wirken des Täters zahlreiche Opfer fordert. Konventionen des Genres bedient der Crimethriller trotzdem. Bereits auf dem Weg zum Finale klammert er sich an einige sattsam bekannte Standardformeln. Besonders der künstlich in die Länge gezogene Showdown hakt dann diverse Stereotypen ab. Große Begeisterung lässt sich dem Publikum so natürlich nicht entlocken. Andererseits muss und kann nicht jeder Film neue Maßstäbe setzen.

Christopher Diekhaus