C´est la vie – So sind wir, so ist das Leben

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In fünf ebenso anrührenden wie amüsanten Episoden erzählt die turbulente Tragikomödie aus Frankreich vom Auf und Ab im Leben einer fünfköpfigen Familie. Dabei rückt jeweils ein anderes Familienmitglied an einem der Wendepunkte im gemeinsamen Zusammenleben in den Mittelpunkt des Geschehens. Falscher Pathos und schwülstige Sentimentalitäten haben in dieser lebensklugen Hommage an die Familie keinen Platz. Dafür gibt es im sowohl schauspielerisch wie inszenatorisch gelungenen Film jede Menge pointierter Wahrheiten über die Widersprüche im Leben.

Webseite: www.cestlavie.kinowelt.de

OT: Le premier jour du reste de ta vie
Frankreich 2008
Regie: Rémi Bezançon
Darsteller : Jacques Gamblin, Zabou Breitman, Déborah François, Marc-André Grondin, Pio Marmaï
Länge: 114 Minuten
Verleih: Kinowelt
Start : 23.4.2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Familie ist Fluch und Segen zugleich. So zeigt es jedenfalls Regisseur Rémi Bezançon in seinem tragikomischen Porträt einer fünfköpfigen Pariser Durchschnittsfamilie. Über einen Zeitraum von zwölf Jahre erzählt der Film vom Auf und Ab der einzelnen Familienmitglieder. Dabei widmet die sternförmig angelegte Geschichte jedem Familien Mitglied eine Episode.

Es beginnt mit Albert, dem ältesten Sohn, der im August 1988 das traute Heim verlässt und seine erste Studentenbude bezieht. Die ganz große Flucht wird es nicht, denn Albert zieht in ein leerstehendes Zimmer bei seinem Großvater. Dennoch löst sein Auszug bei seiner Mutter Marie-Jeanne ein Gefühl der Panik aus. Ihr wird klar, dass die Zeit, wo alle fünf Familienmitglieder mehr oder weniger harmonisch unter einem Dach zusammenlebten, endgültig vorbei ist. Während die mütterlichen Gefühle die Leerstelle beschreiben, die das Flügge werden unweigerlich mit sich bringt, erhofft sich der Rest der Familie durch den Freiraum mehr Platz und die Entfaltung eigener Bedürfnisse.

Fünf Jahre später ist es das jüngste Familienmitglied Fleur, das an ihrem 16. Geburtstag die ganze Ambivalenz des Familienlebens zu spüren bekommt. Einerseits genießt sie das prickelnde Gefühl des Erwachsenwerdens, anderseits reagiert sie überaus enttäuscht, als alle in der Familie ihren Geburtstag vergessen. Der Drang zur Rebellion und die Sehnsucht nach Geborgenheit werden sie an diesem Tag, an dem sie auf gleich mehre Weise ihre Unschuld verliert, in ein Wechselbad der Gefühle stoßen.

Was passiert, wenn man den Absprung aus dem gemachten Nest nicht schafft, zeigt das Beispiel von Raphael, der immer im Schatten seines erfolgreichen Bruders steht und sich deshalb lieber in Träumereien flüchtet. Auf ihre Weise träumt auch die Mutter Marie-Jeanne, die nur zu gerne, die Zeit anhalten möchte. Ihr Spagat, die Kinder ewig bemuttern zu wollen und dabei gleichzeitig selber die eigene Jugendlichkeit zu bewahren, führt zu bizarren Konkurrenzsituationen mit der eigenen Tochter und einem Ereignis, das allen die Endlichkeit des Daseins vor Augen führt.

Eine Endlichkeit, die sich in der letzten Episode, die dem Familienvater Robert gewidmet ist, noch dramatischer gestaltet. Als Robert beim Arzt die ernüchternde Diagnose über seine Krebserkrankung erfährt, beschließt er, seine letzten Tage noch einmal der Familie zu widmen. Vor allem die quälende Sprachlosigkeit, die ihn schon seit Jahren von Albert entfremdet hat, gilt es zu überwinden.

Die turbulente Familiengeschichte ist erst der zweite Kinofilm des jungen Regisseurs Rémi Bezançons. Um so mehr überrascht, mit welcher Souveränität er das Geflecht an Personen und Handlungsfäden zusammenhält. Das Konzept, jedem der fünf Familienmitglieder eine eigene Episode zu widmen, sorgt dafür, dass die unterschiedlichen Aspekte des Familiendaseins in ihrer ganzen Breite aufgefächert werden. Aber nicht nur die Fülle an Perspektiven, aus denen Bezançon erzählt, sorgen für Abwechslung, auch stilistisch bemüht sich der Film um eine unterschiedliche Akzentuierung der einzelnen Protagonisten. Mal rückt er der jugendlichen Grunge-Rebellin mit der Handkamera zu Leibe, mal sorgt die distanzierte Weitwinkelaufnahme bei der familiären Aufstellung für die nötige Klarheit.

Amüsant und anrührend zugleich sind die einzelnen Episoden, in denen wohl jeder etwas aus dem eigenen Familienfundus wiederfinden dürfte. Falscher Pathos und schwülstige Sentimentalitäten haben in dieser lebensklugen Hommage an die Familie keinen Platz. Wohl aber die Erkenntnis, dass man die sonnigen Tage des Familiendaseins selten ohne die schmerzlichen Augenblicke bekommt.

Norbert Raffelsiefen

Es gibt zwar immer mehr Singles, Nur-Lebensgegfährten und Patchwork-Familien, aber die echte Familie existiert auch noch. Hier ist ein schöner französischer Film über sie.

Robert, der Vater, Marie-Jeanne, die Mutter, Fleur (Blume), die Tochter und die beiden Söhne Albert und Raphael.

Albert zieht aus. Er hat bei seinem Großvater ein Zimmer gefunden. Für die Mutter, die die Familie fast zu Tode liebt, ist das schmerzlich. Sie will es verhindern, kann aber nicht. Albert wird Mediziner sein, unter anderem plastischer Chirurg.

Fleur hat es satt, das Nesthäkchen sein zu müssen. Sie ist in dem Alter, in dem man sich zu emanzipieren beginnt - mit den nötigen Übertreibungen, versteht sich. Natürlich auch in der Liebe. Mit Sascha, dem Sänger einer Rockband, ist das „erste Mal“ geplant. Doch alles verläuft bei weitem nicht so romantisch, wie Fleur sich dies vorgestellt hatte.

Auch Raphael findet mit Moira nicht gleich das erhoffte Glück. Dann eben Wein-Verkosten beim Großvater und in Erinnerungen schwelgen.

Marie-Jeanne ist offenbar in den Wechseljahren. Sie will sogar noch einmal studieren, merkt, dass ihr Mann sie nicht mehr anrührt, denkt an eine Schönheitsoperation. Es sieht so aus, als sei ihr Leben ganz schön aus den Fugen geraten.

Robert ist Taxifahrer. Er möchte der Herr im Hause sein, aber mit Fleur ist das nicht so einfach. Das Verhältnis zu Albert befindet sich sowieso seit langem auf dem Nullpunkt. Robert ist ein starker Raucher. Mit dem Abgewöhnen klappte es bisher nicht. Vom Arzt erhält er eine schlimme Nachricht.

Aber welche Kraft in einer echten Familie stecken kann, beweist sich dann doch.

Die Schilderung des Lebens dieser Familie erstreckt sich über zwölf Jahre. Für jeden der fünf wird im Drehbuch ein charakteristischer Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt.

Die Natürlichkeit des in diesem Film Geschehenden besticht. Der gewählte Titel stimmt: So ist das Leben. So kann es jedenfalls ablaufen. Und wenn einer stirbt, was hier leider eintrifft, gibt es ein neues Leben. So wie bei Fleur.

Der Streifen weist einen gefühlsmäßigen Höhepunkt auf, wie ihn in seiner Intensität und bewegenden Partnernähe nicht viele Filme zu bieten haben: wenn Marie-Jeanne aus des toten Roberts Rückenkissen die Luft saugt, die er kurz zuvor hineingeblasen hatte.

Gespielt wird sehr gut. Vor allem Jacques Gamblin (Robert), Zabou Breitman (Marie-Jeanne) und Déborah François (Fleur) sind hier zu nennen.

Ein schöner Film.

Thomas Engel