Chaos

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Politisches Popcornkino aus Ägypten: in der grellbunten Romanze um die junge Lehrerin Nour, die vom widerlichen und korrupten Polizeioffizier Hatem begehrt wird, ihrerseits aber den schönen und aufrechten Staatsanwalt Sherif liebt, prangert Youssef Chahine (DER ANDERE) Korruption in Polizei, Politik und Religion an. Eine ungewöhnliche Mischung aus Seifenopermelodram, politischen Seitenhieben und Slapstick-Komödie.

Webseite: chaos-der-film.de

Frankreich/Ägypten 2007
Regie: Youssef Chahine und Khaled Youssef
Buch: Nasser Abdel Rahman
Darsteller: Khaled Saleh, Mena Shalaby, Youssef El Sherif, Hala Sedky, Hala Fakher
Länge: 122 min
Verleih: mîtosfilm
Kinostart: 20.3.2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Im Zentrum von CHAOS steht ein kleiner böser Mann mit Glatze und Schnäuzer. Der Polizeioffizier Hatem (Khaled Saleh) herrscht über den kleinbürgerlichen Stadtteil Choubra in Kairo wie ein Diktator. Er drangsaliert seine Untergebenen, verhindert die Freilassung von Demonstranten und empfängt in der Mittagspause Bittsteller von denen er Bestechungsgelder kassiert. Wenn er sauer ist, reagiert er sich mit ein bisschen Elektroschockfolter in der Folterkammer des Polizeihauptquartieres ab. „Wer mich liebt, liebt Ägypten“ ist sein Motto. Hatem ist ein richtig fieser Typ, das personifizierte Böse. Zugleich ist er lächerlich, ein schmieriger Clown. Etwa wenn er aus Unkenntnis ein 130 Jahre altes Gemälde zerstört, wenn er sich von profitgierigen Prostituierten umgarnen lässt, oder wenn er - von verzehrender Leidenschaft gequält - die hübsche Nachbarin Nour belästigt.

Nour jedoch wird ihn niemals heiraten, da kann Hatem noch so viele lebensgroße Pin-ups von ihr an die Wand tapezieren und Liebeszauber bemühen.  Denn die selbstbewusste Lehrerin gehört mit ihrer hart arbeitenden Mutter Bahia und der emanzipierten Direktorin ihrer Schule zu den Guten. Außerdem liebt Nour Sherif, den gutaussehenden Sohn der Direktorin, der als Staatsanwalt tapfer gegen die Korruption ankämpft. Sherif seinerseits ist der tätowierten, Haschisch-rauchenden Schlampe Sylvia verfallen …

Youssef Chahine, der 81-jährige Altmeister des ägyptischen Kinos, hat seine Kritik am ägyptischen Staat in eine Mischung aus grellem Melodram und Slapstick Komödie verpackt. Die schlichte Psychologie der Personen ermöglicht es, klare Fronten aufzumachen. Der korrupten Polizei, gleichgültigen Parteien,  Islamisten und einer dekadenten „jeunesse dorée“ stehen auf der anderen Seite die emanzipierten Frauen, die Studenten, die aufgeklärte Justiz, und die hart arbeitenden kleinen Leute gegenüber. Die ruppige Inszenierung – beim romantischen Diner fällt Hatem schon mal die Perücke in die Suppe; der erste Tanz zwischen Sherif und Nour führt gleich zur Liebeserklärung – und die gnadenlos ausgeleuchteten Räume erinnern dabei öfter an Telenovelas. Immer wieder gibt es aber auch kleine ‚dokumentarische’ Momente in denen man das Leben in den Straßen ahnt, Innenräume bewohnt scheinen und neben den glatten Gesichtern der Schauspieler faltige Statisten auftauchen. Besonders die Demonstrationen zu Beginn und Ende von Chaos scheinen  aus einem anderen Film zu stammen.

Es sind diese Unebenheiten und Richtungswechsel, die den Reiz von CHAOS ausmachen. Das mutige politische Anliegen hinter der platten Romanze, die für westliche Sehgewohnheiten ungewohnte Nähe von Drama und Komödie, und der kleine böse Clown im Zentrum des Films.

Hendrike Bake