Chasing Niagara

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Das bildgewaltige Sportler-Portrait „Chasing Niagara“, eine Red-Bull-Produktion, begleitet den Kayaker Rafa Ortiz bei der Vorbereitung eines lange gehegten Traums: dem Bezwingen der Niagarafälle, des gefährlichsten Wasserfalls der Welt. Naturdoku-Liebhaber könnten und Adrenalin-Junkies werden ganz sicher bei all der Action, den spektakulären Bildern sowie den imposanten Naturschauspielen ihre Freude haben. Jedoch ist der Film auch allzu deutlich auf diese Zielgruppe zugeschnitten. Ein paar allgemeine, erklärende Hintergrundinfos zum Sport selbst hätten dem Film ebenso gut getan wie eine subtiler und weniger pathetisch eingesetzte Musik.

Webseite: http://chasingniagara.com

Kanada, Mexiko, Österreich, USA 2015
Regie: Rush Sturges
Drehbuch: Mark Anders
Länge: 75 Minuten
Verleih: Studio Hamburg
Kinostart: 25. August 2016
 

FILMKRITIK:

Er heißt übersetzt „donnerndes Wasser“, hat teils über 50 Meter in die Tiefe stürzende Wassermassen und zählt mit 20 Millionen Besuchern jährlich zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Welt: der Niagara-Fluss mit seinen imposanten Wasserfällen, die die Grenze zwischen dem Staat New York und der kanadischen Provinz Ontario markieren. Für den Extrem-Kayak-Fahrer Rafa Ortiz ist es ein lange gehegtes Ziel, die Wasserfälle zu durchqueren. Bis heute kamen unzählige Sensationssportler und Artisten bei dem Versuch ums Leben. Gemeinsam mit dem berühmten Kayak-Fahrer (und Teilzeit-Regisseur) Rush Sturges sowie anderen, befreundeten Extremsportlern, machte er sich zu einer dreijährigen Reise zu den gefährlichsten und schönsten Wasserfällen der Welt auf, um sich auf Niagara vorzubereiten. Drei Jahre hartes Training und ständige Lebensgefahr.

Filmemacher Sturges erwies sich als gute Wahl für den Posten des Regisseurs. Schließlich weiß er – als Ex-Junior-Weltmeister im Kayaking – wie kaum ein Zweiter, welche Gefahren beim „Wildwasserpaddeln“ (so eine andere Bezeichnung für den Sport), lauern. Aber auch, wie unnachahmlich es sich anfühlt, tosende Strömungen und wilde Wassermassen erfolgreich bezwungen zu haben. Viele Sportler kamen im Laufe der Jahrhunderte bei den Niagarafällen nicht in diesen Genuss. Zum ersten Mal versuchte ein Mann 1829, die Wasserfälle zu bändigen. Die erste erfolgreiche Befahrung gelang schließlich erst 1901 einer über 60-jährigen Lehrerin in einem Fass. Die Langzeit-Doku „Chasing Niagara“ wurde von Red Bull Media House produziert, die für ihre aufwendigen Natur- und Sportdokus bekannt sind.

Extremsport-Freunde kommen bei „Chasing Niagara“ ebenso auf ihre Kosten wie Liebhaber spektakulärer, Adrenalin-geschwängerter Dokumentationen. Vor allem die an den Helmen angebrachten „Action-Cams“ liefern beeindruckende, rasante Bilder, direkt aus der Sicht des Fahrers. Die Szenen, etwa unter Wasser nach dem Fall oder die Sekunden vor dem Sturz in die Tiefe, sind extrem fesselnd und wären noch vor einiger Zeit – ohne diese Kameratechnik – nicht möglich gewesen. Wie gefährlich und risikoreich dieser Extremsport ist, wird gleich zu Beginn in einer besonders nachdrücklichen, fesselnden Sequenz deutlich, wenn ein Fahrer einen metertiefen Wasserfallsturz mit seiner Gesundheit bezahlt.

Darüber hinaus liefert der Film viele durchaus interessante Fakten und Einblicke in die Welt der Wasserfälle allgemein. Die wichtigsten Infos rund um die Niagarafälle werden angereichert mit Archivaufnahmen und -bildern früherer Befahrungen. Dazu sind die Aufnahmen von den anderen Orten, Landschaften und Wasserfällen, die Ortiz im Rahmen seiner Vorbereitung durchquert, ebenso reizvoll und prächtig wie die Bilder am Niagara-Fluss selbst. Das Team reiste u.a. zu den Palouse-Wasserfällen nähe Washington, deren höchster Wasserfall über 50 Meter hoch ist oder zu den Stromschnellen des mexikanischen Regenwalds. Für Naturliebhaber bieten sich erlesene, prächtige Impressionen atemberaubender Naturwelten.

Leider ist der Film aber auch offensichtlich rein auf eben jene, oben erwähnte Zielgruppe (Extremsportler und Adrenalin-Junkies) hin ausgerichtet und zugeschnitten. Man erfährt daher wenig an allgemeinem, erklärendem Wissen, etwa zum Sport selbst, zu Techniken oder wo denn eigentlich die größten Gefahren lauern. Darüber hinaus sorgt der etwas inflationäre, an die Emotionen des Zuschauers abzielende Gebrauch der Zeitlupe, ebenso für schwülstiges Pathos wie die zum Teil arg emotional aufgeladene, kitschige Musik. Andererseits sind dies  nun einmal gängige Stilmittel und Elemente dieser Art von Film.

Als von Red Bull produzierte und finanzierte Doku wird alle paar Sekunden ein Markensymbol bzw. Red-Bull-Emblem, das unübersehbar auf allen T-Shirts oder den Helmen prangt, in die Kamera gehalten. Das ist jedoch ein leicht zu verschmerzendes Übel bei all der schweißtreibenden Rasanz und realen Lebensgefahr auf dem Bildschirm. Mit 75 Minuten besitzt der Film in jedem Fall die genau richtige Länge für eine Extremsport-Doku, bevor sich allzu schnell Ermüdungserscheinungen einstellen.

Björn Schneider