Chloe

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Aus „Nathalie“ wurde „Chloe“. Das Remake der im Original mit Fanny Ardant und Emmanuelle Béart prominent besetzten französischen Dreiecksgeschichte ist ein Genre-Zwitter, der zwischen kühlem Eifersuchts-Thriller und erotischem Drama changiert. Regisseur Atom Egoyan – bislang als Autorenfilmer bekannt – spielt darin mit unserer Wahrnehmung, wobei er den Mechanismen des Suspense-Kinos vertraut. Julianne Moore und Amanda Seyfried sind die Hauptdarsteller in dieser zunehmend gefährlichen Ménage-à-trois.

Webseite: www.chloe.kinowelt.de

Kanada, USA, Frankreich 2009
Regie: Atom Egoyan
Darsteller: Julianne Moore, Liam Neeson, Amanda Seyfried, Max Thierot, R.H. Thompson, Nina Dobrev
Länge: 106 Min.
Verleih: Kinowelt
Kinostart neu: 22. April 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK 1: 

Es könnte die perfekte Ehe sein. Jedenfalls gibt es wohl nicht wenige, die Catherine (Julianne Moore) und ihren Mann David (Liam Neeson) um ihr scheinbares Glück beneiden. In ihrem Beruf sind beide überaus erfolgreich, er als Musikprofessor, sie als Gynäkologin mit eigener Praxis. Das Paar kann zudem stolz auf sein repräsentatives Zuhause und seinen Sohn Michael (Max Thieriot) sein, der bereits im Teenager-Alter Klavierkonzerte gibt. Die Wahrheit – man ahnt es bereits – ist indes eine ganz andere. Schon länger verdächtigt Catherine ihren Mann der Untreue. Doch der letzte Beweis hierfür fehlte ihr bislang. Um ganz sicher zu sein, setzt sie schließlich ein Callgirl auf ihn an. Chloe (Amanda Seyfried) ist jung, sexy, attraktiv und somit ein echter Prüfstein für Davids Treue und Loyalität.

Mit der Neuverfilmung der französischen Dreiecksgeschichte „Nathalie“ betritt der kanadische Independent-Regisseur Atom Egoyan nur auf den ersten Blick für ihn ungewohntes Terrain. Es stimmt, dass „Chloe“ an der Oberfläche wesentlich konventioneller als die meisten seiner früheren Arbeiten anmutet – der Plot folgt nahezu lehrbuchmäßig dem Aufbau eines typischen Eifersuchts-Thrillers –, gleichwohl verstecken sich in der geradlinigen Erzählung viele Gedanken und Ideen, die Egoyan schon immer beschäftigten. Vor allem spielt das von „Secretary“-Autroin Erin Cressida Wilson verfasste Drehbuch mit der nicht immer klar erkennbaren Grenze zwischen dem, was wahr ist und dem, was lediglich unserer subjektiven Perspektive und Wahrnehmung entspringt. Dahinter verbirgt sich die Frage, wem man vertrauen kann und wem nicht. Es ist eine Frage, die hier auch den Zuschauer umtreibt und die eine Brücke zu Egoyans Noir-Thriller „Wahre Lügen“ schlägt.

Wir erleben die Dinge aus Catherines Sicht und nicht von einem neutralen Standpunkt aus – ein kleiner, aber am Ende doch entscheidender Unterschied, der in diesem Genre zugegeben gerne als recht banaler Plot-Twist benutzt wird. Nicht so bei Egoyan und Wilson. Die Konstruktion der narrativen Perspektive verweist auf einen gefährlichen Kontrollverlust, dessen Brisanz Catherine erst bemerkt, als es fast schon zu spät ist. Sie ist es, die sich von Chloe und ihren erotischen Beichten auf eine bestimmte Art angezogen fühlt. Die anfängliche Angst, ihr diffuses Misstrauen gegenüber dem eigenen Ehemann weicht unmerklich einer erotischen Faszination.

Egoyan transportiert den Taumel zwischen obsessivem Verlangen, Ekel, Abscheu und Hingabe vornehmlich über eine kühl-elegante Bildsprache – Designerchic, wohin das Auge blickt – und eine Betonung der Details. Die erste Berührung zwischen Catherine und Chloe ist beispielhaft für diese Inszenierung, bei der jeder Blick, jede Geste wie ein Rad in das andere greift. Dazu liefert Filmkomponist Mychael Danna die passende, stimmungsvolle Untermalung. In den feinen Verästelungen aus (homo-)erotischer Suspense und bewährten Thriller-Elementen bewegen sich die Schauspieler jederzeit souverän. Vor allem Julianne Moore und Amanda Seyfried bieten eine couragierte Leistung. Die eine als verletzte Ehefrau, die andere als verführerische Femme fatale.

Markus Wessel

FILMKRITIK 2

Das französische Original „Nathalie“ war noch ein durchaus interessanter Film, dieses von Atom Egoyan inszenierte Remake „Chloe“ macht aus der Geschichte einer Frau, die eine Prostituierte auf ihren Mann ansetzt, um seine Treue auf die Probe zu stellen, eine kolportagehafte Geschichte, der nur die beiden Hauptdarsteller ein gewisses Maß an Qualität entgegensetzen können.

Auf den ersten Blick wirken die Themen von „Chloe“ typisch für das Oeuvre von Atom Egoyan. Es geht um Eifersucht, Verlangen, den Wahrheitsgehalt der Bilder. Einerseits überrascht es also nicht, dass der kanadische Regisseur hier zum ersten Mal ein fremdes Drehbuch verfilmt, das zudem das Remake des französischen Dramas „Nathalie“ ist. Damals führte mit Anne Fontaine eine Frau Regie, ein nicht unerheblicher Aspekt, geht es doch um weibliche Eifersucht und Phantasien. Durch den weiblichen Blick wurden die kolportagehafte Konstellation – eifersüchtige Ehefrau lernt Luxuscallgirl kennen und setzt sie auf ihren angeblich fremdgehenden Mann an, um ihn auf die Probe zu stellen – abgeschwächt und zu einem sehenswerten Drama über Eifersucht und die Macht der Phantasie. Der Witz des Konstrukts ist nämlich im Original wie im Remake, dass die Prostituierte ihre angeblichen Treffen mit dem Ehemann nur erfindet, die Phantasien der Ehefrau bedient. Gut zwei Drittel lang folgt „Chloe“ dem Original bis ins Detail: Julianne Moore spielt Catherine, die gleich in ihrer ersten Szene als Gynäkologin, den weiblichen Orgasmus als mechanische Körperfunktion definiert. Sie verdächtigt ihren Ehemann David (Liam Neeson), sie zu betrügen. Das Luxus-Callgirl Chloe (die ausgesprochen blasse Newcomerin Amanda Seyfried) soll David nun auf die Probe stellen. Chloe soll David treffen, ein Gespräch beginnen und Catherine später von den Treffen berichten. Immer ausgeschmückter werden Chloes Beschreibungen, immer intensiver werden ihre Begegnungen mit David, die in Rückblenden dargestellt werden. Mit dem kleinen Haken, dass diese Rückblenden nur in Catherines Phantasie existieren, die Affäre nie statt gefunden hat.

Dass hätte eine interessante Geschichte über die Formen weiblicher Eifersucht werden können, zusätzlich eine Reflexion über den Wahrheitsgehalt der Bilder, mit dem Atom Egoyan schon so oft gespielt hat. Doch im letzten Drittel driftet die ohnehin grenzwertig fragwürdige Geschichte komplett auf kolportagehaftes Niveau ab. Nach einer wohl obligatorischen lesbischen Sexszene (die den Film für den ZDF-Montagabend Sendeplatz Sommernachtsphantasien prädestiniert) entpuppt sich die Prostituierte auf einmal als psychotische Stalkerin, die nicht von Catherine lassen kann, deren Sohn verführt und schließlich auf drastische Weise sterben muss, damit die Kleinfamilie wieder glücklich sein kann. Warum sich ein eigentlich subtiler Regisseur wie Atom Egoyan auf solch ein plakatives Drehbuch einlässt bleibt ein Rätsel, wobei sich Egoyans Regiearbeit ohnehin darauf beschränkt, die architektonischen Höhepunkte des Schauplatzes Toronto ins Bild zu setzen. Ansonsten lässt er seinen beiden Hauptdarstellern viel Raum, die mit ihrer Klasse zumindest phasenweise ein gewisses Niveau herstellen. Meistens jedoch mutet „Chloe“ wie eine jener billigen Fernsehproduktionen an, die selbst bei RTL 2 nur zu später Stunde gezeigt werden.

Michael Meyns

Catherine Stewart ist Gynäkologin, ihr Mann David Musikwissenschaftler, Spezialität Mozart-Opern. Catherine, Mittelalter, fühlt sich vernachlässigt – sowohl von ihrem Mann als auch von ihrem Sohn Michael.

Als sie auf dem Handy ihres Mannes eine anscheinend verräterische Mail entdeckt, verfällt sie auf eine abstruse Idee: Sie heuert die Prostituierte Chloe an. Diese soll mit David flirten und dann Catherine alles erzählen. Die Treue des Ehemannes muss geprüft werden.

Es kommt zu Begegnungen zwischen Chloe und David – und zu viel mehr.

Catherines Gefühlswelt ist danach vollkommen erschüttert. Dies führt zu unberechenbaren Reaktionen. Denn nun sind es die beiden Frauen, die sich annähern – ebenfalls ganz. Catherines
Versuch, durch ihren Handel mit Chloe den eigenen Mann möglichst wieder fester an sich zu binden, ist außer Kontrolle geraten.

Chloe besitzt von ihren Intimszenen mit Catherine Fotos, nimmt deshalb sogar mit Michael Kontakt auf.

Was hat sie vor? War ihr Eingehen auf das Geschäft mit Catherine nur ein großer Betrug?

Es ist eine Handlung, die weniger von der Wahrscheinlichkeit lebt als von Atom Egoyans gewohntem Spiel mit dem Möglichen, der Spannung, der Erotik, dem Unberechenbaren. Daher eher ein Puzzle, ein Kinospiel, das gleichwohl gewisse Lebens- und Liebessituationen widerspiegelt.

Als psychologisch gefärbte Kinounterhaltung geglückt ist das auch deshalb, weil neben Egoyans bewährten Regiefähigkeiten Schauspieler mitwirken, die in ihrem Metier Riesen sind: Julianne Moore als verunsicherte Catherine, Amanda Seyfried als verführerische Chloe sowie Liam Neeson als „Opfer“ David.

Thomas Engel