Coco – Lebendiger als das Leben

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Wie kein anderes Filmstudio steht Pixar für den State of the Art im Animationsfilmgenre, wovon moderne Kinomeisterwerke wie „Toy Story“, „Oben“ oder „Alles steht Kopf“ zeugen. Der lang angekündigte „Coco“ beweist die hohe Kompetenz der Pixar-Animatoren nun aufs Neue. Der Plot dreht sich um einen mexikanischen Jungen, der unversehens im Reich der Toten landet und dort unter anderem seine verstorbene Ururgroßmutter trifft. Die erfindungsreiche Bildgestaltung und der dramaturgisch zwar klassische, aber emotional packende Handlungsverlauf garantieren Unterhaltung für alle Altersstufen.

Webseite: coco-film.de

USA 2017
Regie: Lee Unkrich, Adrian Molina
Sprecher/innen: Anthony Gonzalez, Gael García Bernal, Renee Victor, Edward James Olmos, Benjamin Bratt, Alanna Ubach, John Ratzenberger, Natalia Cordova-Buckley, Jaime Camil,
Laufzeit: 109 Min.
Verleih: Walt Disney
Kinostart: 30. November 2017

FILMKRITIK:

Santa Cecilia, ein beschauliches Dorf in Mexiko: Der zwölfjährige Miguel liebt Musik und träumt davon, in die Fußstapfen seines Idols Ernesto de la Cruz zu treten, einem längst verschiedenen Musikstar. Doch seit Miguels Ururgroßvater Frau und Tochter verließ, um eine Gesangskarriere zu starten, hegen die Mitglieder der Schuhmacherfamilie eine heftige Abneigung gegen jede Form von Musik und verbieten dem Jungen eine musikalische Betätigung.
 
Am Tag der Toten will Miguel seine Familie von seiner Leidenschaft überzeugen und bei einem lokalen Musikwettbewerb antreten. Dafür entwendet er sogar eine Gitarre aus dem Schrein von Ernesto de la Cruz. Doch noch vor seinem Auftritt wird Miguel unversehens ins Reich der Toten katapultiert, wo verstorbene Menschen als Skelette weiterexistieren. Hier trifft Miguel seine Ururgroßmutter Mama Imelda, die ihn zurück ins Diesseits befördern kann, dafür aber eine harte Bedingung stellt: Miguel soll der Musik für immer abschwören. Zum Glück trifft der Junge auch den hilfsbereiten Hector, der ihm eine andere Lösung in Aussicht stellt.
 
Am traditionellen Día de los Muertos, dem Tag der Toten, zelebrieren die Mexikaner die Erinnerung an ihre verstorbenen Ahnen, wobei bunte Farben und fröhliche Festlichkeit den Ton angeben. Die Exposition von „Coco“ führt in diese Tradition ein und liefert – wie der thematisch ähnliche Animationsfilm „Manolo und das Buch des Lebens“ – einen lebendigen Einblick in die mexikanische Folklore. Eine längere Passage im Scherenschnitt-Stil erklärt die Hintergründe der Musikfeindlichkeit in Miguels Familie und etabliert den Gewissenskonflikt des Jungen: Soll er seinen Traum leben oder die familiären Erwartungen erfüllen?
 
Der „Toy Story 3“-Regisseur Lee Unkrich und sein Co-Regisseur Adrian Molina gestalten das Totenreich mit einer hohen Fülle an Details. Während Miguels Heimatdorf mit viel Kerzenlicht und warmen Farbtönen als heimeliger Märchenort erscheint, dominieren im Reich der Toten leuchtende Farben, strahlende Hintergründe und ein Gewusel aus kindgerecht umgesetzten Skeletten und Fabelwesen, die alle Ecken der Kinoleinwand mit Leben füllen.
 
Ein optisches Highlight ist die Brücke aus Ringelblumen, die beide Welten verbindet. Zum Tag der Toten dürfen die verstorbenen Seelen die Brücke überqueren, um ihre Verwandten als Geister zu besuchen. Das ist allerdings nur erlaubt, wenn die Lebenden das Andenken an die Toten hochhalten. Sobald die Erinnerung an einen Verstorbenen verblasst, stirbt dieser den finalen Tod. Diese Prämisse bereichert das Abenteuer um einen starken emotionalen Kern, der die schweren Themen Trauer und Tod fantasievoll darstellt.
 
Die Musik spielt thematisch und stilistisch eine konstitutive Rolle in „Coco“. Verschiedene mexikanische Musikstile begleiten die Handlung und verbinden das Diesseits mit dem Jenseits, wenn etwa in beiden Sphären ein Musikfestival zum Tag der Toten stattfindet. Die visuelle und akustische Vielfalt bietet reichlich Abwechslung, was den erzählerisch recht konventionellen Ablauf der Heldenreise aufwiegt. Letztlich stößt „Coco“ zwar nicht in den Olymp der originellsten Pixar-Werke vor, gefällt aber als ideenreicher Animationsfilm mit emotionalem Tiefgang.
 
Christian Horn