Da kommt noch was

Zum Vergrößern klicken

Eine moderne Version des Fassbinder-Klassikers „Angst Essen Seele auf“ hat Mareille Klein mit ihrem zweiten Film „Da kommt noch was“ vorgelegt. Erneut ist es eine ältere Frau, die diesmal mit einem polnischen Mann aus der Arbeiterklasse anbändelt und mit fremden, aber auch eigenen Vorurteilen zu kämpfen hat. Eine gut beobachtete Dramödie, die vor allem vom überzeugenden Spiel ihrer Hauptdarsteller lebt.

Deutschland/ Schweiz 2021
Regie & Buch: Mareille Klein
Darsteller: Ulrike Willenbacher, Zbigniew Zamachowski, Imogen Kogge, Franziska Machens, Ueli Jäggi, Gabriela Muskala, Ulli Maier, Suly Röthlisberger

Länge: 98 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 29. September 2022

FILMKRITIK:

Im wahrsten Sinne des Wortes fest steckt Helga (Ulrike Willenbacher) zu Beginn: Bei Reparaturarbeiten in ihrem Haus ist sie von der Leiter gefallen und in den Boden gekracht und wird nach einer äußerst unbequemen Nacht erst am nächsten Morgen von ihrer polnischen Putzfrau befreit. Das Helga überhaupt selbst auf die Leiter steigt liegt daran, dass ihr Mann sie verlassen hat, nach vielen Jahren der Ehe.

Zwei Jahre ist das nun zwar schon her, aber so recht abgefunden hat sich Helga noch nicht mit ihrem neuen Leben. Doch das soll sich bald ändern, denn als ihre Putzfrau in den Urlaub fährt, steht als Vertretung plötzlich ihr Landsmann Ryszard (Zbigniew Zamachowski) vor der Tür. Anfangs zeigt sich Helga, die zu allem Überfluss auch noch auf Krücken geht, etwas irritiert davon, dass auf einmal wieder ein Mann im Haus ist. Doch bald findet sie zunehmend gefallen an Ryszard, der nicht nur putzt und Wäsche kocht sondern auch allerlei Reparaturen übernimmt.

Und so kommt es, wie es kommen musste, das ungleiche Gespann kommt sich näher, eine vorsichtige Affäre beginnt, die allerdings anfangs nur in Helgas vier Wänden statt findet. Ihren Freundinnen wagt Helga lange nicht vom neuen Mann in ihrem Leben zu erzählen, wohl wissend, mit welchen Vorurteilen sie da konfrontiert werden würde. Doch zunehmend wird deutlich, dass auch Helga nicht frei von falschen Vorstellungen ist und sich wegen Ryszard geniert.

Unweigerlich muss man angesichts der Figurenkonstellation an Rainer Werner Fassbinders Klassiker „Angst Essen Seele auf“ denken, wo es eine von Brigitte Mira gespielte Witwe war, die sich in den marokkanischen Migranten Ali verliebte und dafür von ihrer Umgebung, ihren Kindern, ja, von geradezu der gesamten Gesellschaft schief angesehen wurde.

Viel Zeit ist seit den 70er Jahren vergangen, doch hat sich wirklich so viel geändert? In ihrem zweiten Spielfilm nach „Dinky Sinky“ beschreibt Autorin und Regisseurin Mareille Klein eine gutbürgerliche Welt, die in ihren Vorstellungen festgefahren erscheint, die glaubt zu wissen, wie die Welt zu funktionieren hat und Abweichungen von der Norm nur schwer akzeptiert.

Mit feinem, pointierten Humor zeichnet Klein diese bürgerliche Welt, spielt mit Vorurteilen und Klischees, die nicht immer nur die anderen haben, sondern – wie Helga in einem langsamen Erkenntnisprozess begreift – auch man selbst. Doch erst durch die beiden Hauptdarsteller wird das so gegensätzliche Duo mit Leben erfüllt: In ihrer ersten Kino-Hauptrolle ist die Theaterschauspielerin Ulrike Willenbacher zu sehen, an ihrer Seite spielt der im polnischen Kino sehr bekannte Zbigniew Zamachowski, der zum Beispiel in Kieslowskis „Drei Farben: Weiß“ oder Polanskis „Der Pianist“ zu sehen war, aber auch in deutschen Filmen wie Hans-Christian Schmids „23“ und „Lichter“. Mit feinem Humor spielen sie die deutsch-polnische Beziehung, die mit dem Fall von einer Leiter beginnt und einer Begegnung auf dem Dach endet.

 

Michael Meyns