Sie war eine der größten Chansonsängerinnen Frankreichs. Und trotzdem zutiefst unglücklich. Sie hatte einen Hit nach dem anderen. Doch bei den Männern hatte sie kein Glück: Dalida. Die Filmbiographie von Regisseurin Lisa Azuelos zeichnet nun ihr bewegtes, viel zu kurzes Leben nach, mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Erfolgen und Niederschlägen. Ein packendes, anrührendes Porträt einer aufregenden Frau, die von Titeldarstellerin Sveva Alviti perfekt verkörpert wird.
Webseite: dalida-derfilm.de
OT: Dalida
Frankreich 2016
Regie: Lisa Azuelos
Darsteller: Sveva Alviti, Ricardo Scarmacio, Jean-Paul Rouve
Länge: 124 Min.
Verleih: NFP
Kinostart: 10.8.2017
FILMKRITIK:
Ältere Chansonliebhaber erinnern sich gern: Dalida (1933-1987) war eine begnadete Sängerin, mit sicherem Gespür für Eleganz, Pathos und Bühnenpräsenz. 45 Goldene Schallplatten heimste sie ein, einige Platinum-Schallplatten obendrauf – in Frankreich war Dalida ein Superstar, im Rest von Europa nicht minder. Über drei Jahrzehnte hinweg sang die schöne Frau einen Hit nach dem anderen: „Am Tag, als der Regen kam“, „Besame Mucho“, „Laissez-moi danser“, „Parole, Parole“ oder „Gigi L'Amoroso“. Und das trotz eines bewegten Privatlebens mit erschütternden Schicksalsschlägen. Irgendwann musste ihre Biographie einfach verfilmt werden.
Der Film von Lisa Azuelos beginnt in Kairo. Hier wird Dalida 1933 unter dem Namen Yolande Gigliotti als Tochter italienischer Eltern geboren. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird der Vater interniert, weil Ägypten auf Seiten der Alliierten steht. Das Mädchen geht auf eine christliche Schule, wird dort wegen seiner Brille gehänselt. Doch mit 17 Jahren wird Yolande zur schönen Frau, gewinnt Schönheitswettbewerbe und zieht 1955 nach Paris. Von jetzt an geht alles sehr schnell, manchmal kommt der Film gar nicht recht hinterher und muss sich mit melodramatischen Versatzstücken behelfen: erste Erfolge im Olympia Theater, Schallplattenvertrag mit dem Barclay-Label, ihr erster Erfolg mit der Single „Bambino“, Heirat mit dem Radio-Produzenten Lucien Morisse. Auf Männer übt Dalida eine geradezu magnetische Wirkung aus, egal ob junger Fan oder unglücklicher Kollege. Der Schlagersänger Luigi Tenco, mit dem sie liiert ist, nimmt sich 1967 noch während des Festivals in San Remo das Leben – ein kritischer Seitenhieb auf den Druck, der auf den Sängern lastet. Später wird sich Morisse umbringen, eine Todessehnsucht legt sich über den Film, der mit Dalidas erstem Selbstmordversuch begann, um dann in mehreren Rückblenden aus verschiedenen Perspektiven durch die Erzählungen anderer ihr Leben aufzurollen.
Manchmal ist das ein wenig zu kompliziert erzählt und zeitlich zu forciert. Einiges muss sich der Zuschauer selbst erschließen, weil es durch Ellipsen unter den Tisch fällt. Doch die Tragik und der Aufruhr von Dalidas Leben teilen sich dem Zuschauer unmittelbar mit. Zeitlebens leidet sie unter ihrer Kinderlosigkeit, verschuldet durch eine fahrlässig ausgeführte Abtreibung. In den 1970er Jahren dann noch grausam anzusehende Abstecher ins Disco-Gefilde, ihre spirituelle Entdeckungsreise nach Indien und der vergebliche Versuch, in Amerika zu reüssieren. Was kann eine Frau eigentlich alles ertragen?
Dalida ist nur dann glücklich, wenn sie auf der Bühne steht, und hier liegt eine große Stärke des Films. In aufregenden Kostümen begeistert sie das Publikum mit ihrer Stimme, bei der Ballade „Je suis malade“ schreit sie ihre Gefühle und Verletzungen förmlich heraus. So entstand nach der Biographie „Dalida. Mon Frère, tu écriras mes mémoires“ von Catherine Rihoit und Dalidas Bruder Bruno Gigliotti das packende, anrührende Porträt einer aufregenden Frau, die von Titeldarstellerin Sveva Alviti perfekt verkörpert wird. Man muss die Musik von Dalida nicht mögen. Doch der Film bringt sie einem näher.
Michael Ranze