Daliland

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Langweilig kann ein biographischer Film über Salvador Dalí kaum werden, so ungewöhnlich mutet das Leben eines der berühmtesten Künstler des 20. Jahrhunderts an. Mehr als nicht langweilig ist Mary Harrons „Dalíland“ aber nicht geworden, trotz einer überzeugenden Performance von Ben Kingsley, der den alternden Maler, genauer: das alternde Genie perfekt verkörpert, aber einem allzu dünnen Drehbuch wenig Leben einhauchen kann.

Dalíland
USA 2022
Regie: Mary Harron
Buch: John Walsh
Darsteller:Ben Kingsley, Barbara Sukowa, Ezra Miller, Christopher Briney, Rupert Graves, Alexander Beyer, Andreja Pejic, Mark McKenna, Zachary Nachbar-Seckel,

Länge: 104 Minuten
Verleih: Squareone/24 Bilder
Kinostart: 7. September

FILMKRITIK:

70 Jahre ist Salvador Dalí (Ben Kingsley) 1974 alt und verbringt seine Sommer in New York. Zusammen mit seiner Frau Gala (Barbara Sukowa) bewohnt er eine Suite im mondänen St. Regis Hotel, die fast Tag und Nacht von schönen, oft jungen Menschen bevölkert wird, die eine schier endlose Party feiern.
Damit der Künstler gelegentlich auch zum Pinsel greift – die Suite und Unmengen an Champagner und Kaviar wollen schließlich bezahlt werden – schickt sein New Yorker Galerist Christoffe (Alexander Beyer) seinen jungen Angestellten James (Christopher Briney), der eigentlich selbst Künstler werden wollte. Doch James hat andere Talente und stürzt sich mit Verve in die mondäne Welt Dalís, ins Dalíland.
Bald wird James zu Dalís Assistent befördert, agiert als Vermittler, manchmal auch Blitzableiter zwischen den Eheleuten, vor allem aber zwischen dem Galeristen und dem Künstler. Geld wird in dicken Bündeln in großen Umschlägen oder auch mal einem Koffer transportiert, nicht immer gehen dabei Originale über den Tisch. Doch jeder Sommer muss einmal sein Ende finden, ebenso wie jede Party.
Ihr berühmtester Film mag zwar die Bret Easton Ellis-Verfilmung „American Psycho“ sein, einen Namen hat sich die kanadische Regisseurin Mary Harron jedoch mit eigenwilligen Künstler-Biographien gemacht: “I Shot Andy Warhol”, “The Notorious Bettie Page” und “Anna Nicole” (über Anne Nicole Smith), wenn man mag, könnte man auch “Charlie Says” (über Charles Manson, der, bevor er durchdrehte ein nicht untalentierter Songschreiber war) dazu zählen, eine Reihe, in die sich nun Salvador Dalí fügt.
Eigentlich ein gefundenes Fressen, zumal Dalí ein Künstler war, der oft mehr wegen seines Wesens, seiner Art bekannt und berüchtigt war, als wegen seiner Kunst, die oft auf zerfließende Uhren reduziert wird. Passenderweise beginnt Harrons Film dann auch mit Ausschnitten aus der amerikanischen Version von „Wer bin ich?“ , in der Dalí auf jede Frage mit „Ja“ antwortete, gerade auch wenn die Frage lautete: „Sind sie Schauspieler?“
Ein Leben als Performance-Art, ein Leben als Fassade, hinter der irgendwo der echte, der wahre Dalí versteckt sein mag. Dass ist einer der Ansätze von „Dalíland“, der sich des Konstrukts eines jungen (fiktiven) Bewunderers bedient, durch dessen Augen der Zuschauer in die Welt von Dalí gezogen wird. Was der junge, etwas naiv anmutende James dort allerdings erlebt, mutet handzahm an, das Mondäne bleibt Behauptung, ab und an tauchen bekannte Figuren wie Amanda Lear oder Alice Cooper auf, doch mehr als das Abhaken von Momenten ist das nicht.
Besonders bedauerlich ist dieser fahrige, unfokussierte Blick, da Ben Kingsley (und auch Ezra Miller in einigen Rückblenden als junger Dalí) hervorragend besetzt sind und die Tragik eines Künstlers, der immer mehr für sein Wesen als seine Kunst verehrt wurde, zumindest andeuten können. Doch dieser Aspekt bleibt ebenso unterentwickelt, wie die Welt der Betrüger und Fälscher, die sich um Dalí (und vielleicht auch mit Dalís Wissen) bildet und ihn zu einem der meistgefälschten Künstler aller Zeiten gemacht hat. Einer von vielen interessanten Aspekten eines faszinierenden Lebens, das in diesem Behelfsmäßigen Biopic nur gestreift, aber nicht vertieft wird. Am Ende macht „Dalíland“ zumindest Lust, sich intensiver mit einem legendären Künstler zu beschäftigen, auch wenn dieser einen aufregenderen Film verdient gehabt hätte.

Michael Meyns