Mit der schrägen Kriminalkomödie „Dampfnudelblues“ beweist der Schwarzwälder Regisseur Ed Herzog, dass sich bayerischer Dialekt durchaus mit großem Kino verträgt. Seine unwiderstehliche Hymne auf den rauen Charme anarchischer Dickschädel, nach dem gleichnamigen Bestseller von Rita Falk, überzeugt mit pointiert-derben Dialogen, trockenen Humor und skurrilen Nebenfiguren. Dabei kaschieren idyllische Bilder dunkle Geheimnisse hinter biederen Bürgerfassaden. Nicht zuletzt macht die wunderbare österreichisch-bayerische Schauspielriege die rabenschwarze Groteske sehenswert. Sebastian Bezzel als wortkarg, lakonischer Antiheld wirkt fast wie eine bayerische Ausgabe des begnadeten Komödianten Josef Hader.
Webseite: www.dampfnudelblues.de
Deutschland 2012
Regie: Ed Herzog
Drehbuch: Christian Zübert
Darsteller: Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Lisa Maria Potthoff, Ilse Neubauer, Nina Proll, Ernst Hannawald
Länge: 87 Minuten
Verleih: Constantin Filmverleih
Kinostart: 1.8.2013 in Bayern (im Dez. im Fernsehen)
PRESSESTIMMEN:
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FILMKRITIK:
Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel) hat den Blues. Früher war der Niederbayer ein wichtiger Kriminalkommissar in München. Jetzt sitzt der gutmütige Macho strafversetzt in seinem Heimatdorf Niederkaltenbach bei Landshut. Und sein ehemaliger Kollege und Freund Rudi Birkenberger fristet sein Dasein als Kaufhausdetektiv. Grund: Die beiden gingen gegen einen Kinderschänder zu hart vor. Doch gerade als sich der unfreiwillige Dorfpolizist einigermaßen gemütlich eingerichtet hat, überschlagen sich die Ereignisse und das Verbrechen kommt in die Provinz. Doch zunächst beginnt alles noch relativ harmlos.
Ebenhofer muss bei dem unbeliebten Realschuldirektor Höpfl ((Robert Palfrader) ermitteln. Denn an die Hauswand von Höpfls Eigenheims hat jemand in roten Buchstaben „Stirb du Sau“ gesprayt. „Sagn ma moi´so, Rektor ist jetzt gerade nicht der beliebteste Job, grad bei so Schüler“, versucht der wortkarge Franz ein Gespräch in Gang zu bringen. „Ja, aber als Polizist wird ma auch nicht nur Freunde haben, ha“, weiß Höpfl. „Aber an meiner Hauswand steht jetzt auch nicht Stirb du Sau“, meint Franz, der seine alltäglichen polizeilichen Probleme gerne unbürokratisch löst.
Wenige Tage später spitzt sich die Lage zu. Der Schuldirektor ist verschwunden. Kurz darauf liegt Höpfl vom Zug überrollt tot auf den Bahngleisen am Ortsausgang. Selbstmord? Mord? Anders als sein grantelnder Vorgesetzte und Dienststellenleiter Moratschek (Siggi Zimmerschied) glaubt Eberhofer an ein Verbrechen. Bei seinen nicht immer ganz amtlichen Ermittlungen unterstützt ihn bald sein Münchener Ex-Kollege Rudi Birkenberger. Auf der Reise ins Herz der kleinbürgerlicher Finsternis findet sich im Hauskeller des verblichenen Pädagogen ein S/M-Studio. Und schon stößt das Duo auf jede Menge Verdächtiger.
Nebenbei muss Eberhofer freilich verkraften, dass sich seine langjährige Freundin Susi (Lisa Maria Potthoff) anderweitig verliebt. Denn sie erwartet von ihm mehr als nur eine lockere Beziehung. „Heiraten! Soweit kommt's noch“, tönt der launige Egomane stolz. Aber als die fesche Verwaltungsangestellte Ernst macht und sich in den Süden absetzt, um dort Trost in den Armen eines Italieners zu finden, dröhnt er seinen Liebesschmerz im Wirtshaus zu. Untermalt von brüllenden AC/DC Sound rockt er sich mit seinen Spezln bei einem Luftgitarrenkonzert auf Tischen und Bänken die Seele aus dem Leib.
Und wieder einmal zeigt sich: Bayern mit seiner Mundart und seinen bisweilen anarchischen Dickschädeln ist und bleibt ein künstlerisch kraftvoll lohnendes Biotop. Natürlich immer vorausgesetzt, der mit Filmdeutschlands beliebtesten Bundesland verbundene lässig barocke Lebensstil wird nicht mit dumpfen Hinterwäldlertum in kracherten Lederhosen und strammen Dirndln vor sonniger Alpenkulisse assoziiert. Dass sich ein Film in bayerischer Sprache gut vermarkten lässt, zeigte nicht zuletzt der Überraschungserfolg von „Wer früher stirbt, ist länger tot“.
Die erste bayerische Kriminalkomödie, die hinter dem Weißwurstäquator die große Leinwand erobert, rutscht außerdem nicht in einen normalen Who-done-it-Krimi ab. Echte komödiantische Höhepunkte liefern die bizarren und stimmigen Nebenrollen, in denen Eisi Gulp als Alt-68er Marihuana anpflanzender Vater Eberhofer und der Passauer Ausnahmekabarettist Sigi Zimmerschied auftreten. Besonders Sebastian Bezzel brilliert in der Rolle des unfreiwilligen Dorfpolizisten, die ihm wie auf den Leib geschrieben scheint.
Als wortkarg, lakonischer Antiheld wirkt der 42jährige in seinen besten Momenten fast wie eine bayerische Ausgabe des begnadeten Komödianten Josef Hader in der Rolle von Wolf Haas‘ Kultromanfigur Brenner. Last but not least sorgt Kameramann Sebastian Edschmids („Ein russischer Sommer“) für atmosphärisch dichte Bilder. Ruhige Einstellungen unterwandern die Idylle. Sie stehen im krassen Gegensatz zum scheinbar biederen Provinzalltag und leuchten die fahlen Abgründe der Spießigkeit aus: häusliche Gewalt, neugierige Nachbarn, zerbrochene Familien, harte Drogen.
Luitgard Koch