Das ist unser Land!

Die Ambivalenz des Titels ist Programm von Lucas Belvaux engagiertem Film „Das ist unser Land!“, der zeigt, wie eine unverkennbar der rechten Demagogin Marine Le Pen nachgeahmte Politikerin in der französischen Provinz verführt. Ein wenig naiv und konstruiert mutet der Film bei allen guten Absichten an, doch gerade in diesen Zeiten kann man ihm das kaum übel nehmen.

Webseite: www.alamodefilm.de

OT: Chez Nous
Frankreich/ Belgien 2017
Regie: Lucas Belvaux
Buch: Lucas Belvaux & Jérôme Leroy
Darsteller: Émilie Dequenne, André Dussolier, Catherine Jacob, Guillaume Gouix, Anne Marivin, Patrick Descamps, Charlotte Talpaert
Länge: 117 Minuten
Verleih: Alamode, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 24. August 2017

 

Über den Film

Originaltitel

Chez nous

Deutscher Titel

Das ist unser Land!

Produktionsland

FRA/BEL

Filmdauer

117 min

Produktionsjahr

2017

Produzent

Frenkel, David / Logie, Philippe / Quinet, Patrick

Regisseur

Belvaux, Lucas

Verleih

Starttermin

23.08.2017

 

FILMKRITIK:



Pauline (Émilie Dequenne) lebt in der nordfranzösischen Provinz allein mit ihren zwei Kindern. In der wirtschaftlich schwachen Region arbeitet sie als Krankenschwester, macht Hausbesuche und versucht den Alltag ihrer Patienten etwas zu erleichtern. Mit den zunehmenden Sparmaßnahmen der Sozialsysteme hat sie sich abgefunden, wie auch mit allen anderen Missständen.
 
Eines Tages macht der Arzt Dr. Berthier (André Dussolier) ihr ein überraschendes Angebot: Sie soll als Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin antreten, in der neuen Partei von Agnès Dorgelle (Catherine Jacob). Diese ist kein unbeschriebenes Blatt, ist die Tochter eines bekannten Rechtsnationalen, doch scheint sie nun weniger radikale Töne anzuschlagen und sich als Kandidatin des Volkes zu positionieren.
 
Anfangs widerstrebt es der zurückhaltenden Pauline, so in der Öffentlichkeit zu stehen, doch dann sagt sie zu und findet sich schnell im Gestrüpp der Lokalpolitik. Verkompliziert wird die Lage durch ihren neuen Freund Stanko (Guillaume Gouiff), der ein dunkles Geheimnis hat: Er ist im Untergrund als Neonazi aktiv und jagt mit seinen Kumpels Flüchtlinge.
 
Stankos Körper ist mit zahlreichen Tattoos übersät, die eigentlich recht eindeutig seine rechte Gesinnung offenbaren. Was Pauline allerdings nicht aufzufallen scheint, ebenso wenig wie sie lange, allzu lange, das Spiel nicht durchschaut, dass der joviale Dr. Berthier mit ihr spielt. Nicht irgendwelcher Fähigkeiten wegen will er Pauline zum Antritt bei den Wahlen überreden, sondern weil sie eine formbare, willige Kandidatin zu sein scheint. Ein wenig zu naiv und unbedarft wirkt Pauline allerdings über weite Strecken von Lucas Belvaux Film, der ein hehres, fraglos ehrenwertes Ziel verfolgt, dafür allerdings ein nicht immer glaubwürdiges Drehbuch in Kauf nimmt. Weniger runde Charaktere als Typen hat Belvaux sich ausgedacht und um sie herum ein fast Brechtsches Lehrstück arrangiert.
 
Um die Verführbarkeit der Massen durch rechte Parolen, durch Demagogen und Menschenfänger geht es, dazu um die Strukturen der (französischen) Politik, deren Parallelen zu Deutschland allerdings unübersehbar sind. Ebenso wie das reale Vorbild der Agnès Dorelle: Marine Le Pen, die vor wenigen Wochen bei den Präsidentschaftswahlen zwar verlor, aber dennoch ein beachtliches Ergebnis erzielte. Gerade in wirtschaftlich schwachen Regionen, oft fern vom kulturellen Zentrum Paris gelegen, fing Le Pen Stimmen ein, konnten ihre nicht mehr so offen ausländerfeindlichen, EU-kritischen Parolen verfangen.
 
Wie verführerisch das Pochen auf Traditionen, auf Werte, auf die Nation sein kann zeigt Belvaux in seinem Film, der zwar oft etwas didaktisch ist, aber nie polemisch. Wessen Land ist dies eigentlich mag man fragen, wer bestimmt, welchen Werten zu folgen ist, wer ein Franzose ist: Auch die Einwanderer, die erst seit wenigen Jahren im Land leben oder nur die Einwanderer, die seit vielen Jahren in Frankreich leben? So extrem wie die Situation in Frankreich ist die Lage in Deutschland zwar noch nicht, doch wie leicht Demagogen Stimmen fangen können, dass zeigt „Das ist unser Land!“ auf überzeugende Weise.
 
Michael Meyns

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