Das kleine Gespenst

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Seit 1966 macht Otfried Preußlers Unruhegeist die Kinderzimmer unsicher. Ob in Buchform, als Hörspiel oder Zeichentrick – der freundliche Anarchismus der Figur, die die 375-Jahr-Feier eines kleinen Städtchens gehörig durcheinanderwirbelt, begeistert kleine Menschen immer wieder auf‘s Neue. Jetzt kommt die erste Realverfilmung in die Kinos. Zum stargespickten Ensemble zählen Herbert Knaup, Uwe Ochsenknecht, und Bettina Stucky. Und Anna Thalbach leiht dem Gespenst ihre unverkennbare Stimme.

Webseite: www.das-kleine-gespenst.de

Deutschland 2013
Regie: Alan Gsponer
Darsteller: Anna Thalbach, Herbert Knaup, Uwe Ochsenknecht, Bettina Stucky, Jonas Holdenrieder
Produktion: Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion
Lauflänge: 95 Minuten
Verleih: Universum, Vertrieb: Disney
Kinostart: 7. November 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Schon immer thront Burg Eulenstein über dem Städtchen Eulenberg. Und schon immer haust in der Burg ein kleines Gespenst. Nur weiß davon niemand. Klar – das Gespenst ist ja auch nur nachts unterwegs. Es wünscht sich sehnlichst, die Welt einmal bei Tageslicht zu sehen. Nicht einmal sein bester Freund, der sprechende Uhu Schuhu, weiß Rat. Aber eines Tages erwacht es plötzlich wirklich – nun ja, am Tag. Niemand will Karl glauben, als der nach einem Schulausflug auf die Burg behauptet, er hätte ein Gespenst gesehen. Nicht einmal seine besten Freunde Marie und Hannes, und die Erwachsenen erst recht nicht. So fällt der Verdacht auf Karl, als eine wertvolle Taschenuhr aus der Burg gestohlen wird. Derweil macht das Gespenst ein schlimme Erfahrung – es wird ganz schwarz, als das Sonnenlicht es trifft. Vor Schreck fährt es in die Kanalisation der Stadt, wo es sein Unwesen treibt.

Was früher nur unbefriedigend und mit hohem technischen Einsatz möglich gewesen wäre, macht heute die moderne Animation vergleichsweise einfach. So dürfte ein Grund dafür, dass Preußlers Kinderbuch-Klassiker jetzt als Realfilm in die Kinos kommt, ganz einfach die technische Möglichkeit der Umsetzung sein. Ein weiterer ist, dass in den letzten Jahren von „Das Sams“ über „Der Räuber Hotzenplotz“ bis zu „Die fünf Freunde“ so ziemlich alle bekannten Kinderbücher in filmische Form überführt wurden. Nicht immer überzeugend. Was dem deutschen Kinderfilm nach wie vor sehr deutlich fehlt, ist der Mut zu originären Stoffen, die sich mit der Gegenwart beschäftigen – im Gegensatz zu Geschichten, die erst mühsam und manchmal unbefriedigend modernisiert werden müssen.

„Das kleine Gespenst“ schlägt sich in diesem Kontext recht wacker. Die animierte Hauptfigur ist niedlich gelungen und musste glücklicherweise nicht auf seine Frechheit verzichten. Vor allem Anna Thalbach haucht dem Wesen Seele ein. Wie das Gespenst Politikern, Polizisten und lange verstorbenen Generälen auf der Nase herumtanzt, gehört zu den besten Szenen des Films. Etwas unentschlossen geht er dagegen mit seinen menschlichen Hauptdarstellern um. Einerseits gestaltet er die Welt der Kinder als romantischen Bullabü-Traum samt Fachwerk und Zimmer unter dem Dach. Im Gegensatz dazu steht ein erstaunlich deprimierendes Bild von Eltern, Lehrern und Stadtoberen, die Kindern nie zuhören, ständig mit Strafe drohen und ansonsten nur um sich selbst drehen.
Schade, dass der Film diesem Gegensatz nicht mehr auf die Spur kommt, sondern ihn mit einigen recht halbherzigen Slapstick-Einlagen zuzuschütten versucht.

So hinterlässt „Das kleine Gespenst“ einen zwiespältigen Eindruck. Der Film unterhält vor allem kleine Zuschauer mit perfekten Tricks und einer rasanten Geschichte. Ein wenig mehr Tiefgang und Sorgfalt in der Herausarbeitung der inhärenten Themen hätte man sich aber auch gewünscht. Nicht nur für erwachsene Zuschauer, sondern besonders die Kinder, denen „Das kleine Gespenst“ nun einmal gehört – und die eben nicht nur oberflächlich unterhalten werden wollen.

Oliver Kaever